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Eröffnung des Hauses

Zwischen Zeitgeist und Erinnerung

Das Humboldt Forum öffnet seine Pforten

Ab 20.Juli 2021, 14 Uhr

„Endlich offen“ – man kann den Brunftschrei der Erleichterung bei den Verantwortlichen nachempfinden, auch wenn erst ein Teil offen ist: ab 20.Juli, der wahrscheinlich interessantere Rest folgt dann am 22.September bzw. im nächsten Jahr. Seit der Beauftragung durch den deutschen Bundestag 2002 ein schönes Stück Zeit inklusive Kontroversen und Widrigkeiten. Der Bau Franco Stellas von außen: die auf drei Seiten reanimierte und glänzend herausgeputzte alte Fassade des ehemaligen Stadtschlosses, von innen ein nüchterner Zweckbau mit endlosen Rolltreppen wegen der Höhe der Räume im Erdgeschoss. Das Eingangsfoyer und der Veranstaltungsraum im EG schön geräumig.

Schlüterhof   Foyer

Die Ausstellung dort unter dem Titel „Schrecklich schön“ ist von den bisher zugänglichen die für mich eindrucksvollste. Elfenbeinerne Stoßzähne oder der Backenzahn eines Mammuts. Oder: Was man aus dem besonders harten und haltbaren natürlichen Material Elfenbein herstellen konnte, Musikinstrumente wie das Olfant (ein Horn) oder die Tastenbeläge der Klaviere, oder auch Geschnitztes wie die Büste der Deutsch-Österreichischen Kaiserin Sisi (1854) sind da zu bewundern. Bollern von Elefanten oder aber auch ein völlig zerknitterter Jeep der Samburu-Parkbehörde, der bei einem Kampf zweier Elefanten im Weg stand, sind da etwa zu bewundern.

ElfenbeinZahn

Etwas beliebig die „Berlin global“ genannte Berlin-Ausstellung im ersten Obergeschoss. Sie soll ein Bindeglied zu den Etagen zwei und drei bilden, in denen die bisher in Dahlem geparkten Sammlungen des Ethnographischen und Asiatischen Museums ab September zu besichtigen sind. Für Nicht-Museums-Affine sei dies Berlin-Panoptikum gedacht, heißt es. Ein großes Rad der Geschichte kann man da etwa drehen – so man zu fünft ist. So soll man sich ein paar Eckdaten umstürzlerischer Ereignisse in Erinnerung rufen, von der 1848-iger Revolution bis zum Mauerfall. Sehr hübsche Ausstellungs-Muscheln widmen sich etwa der Phonographie oder dem Theater-Erneuerer Max Reinhardt. Auch sind Fotos zu sehen von jüdischen Veteranen in der Roten Armee – dass es die gab! Und natürlich der letzte Kaiser im vollen Wichs und Hinweise auf die Modestadt Berlin sind zu finden, nichts aber von der Musikstadt Berlin, die es ja auch gab und gibt bis heute.

ElfenbeinZahn

Und dann ist da auf der Ersten Etage auch ein sogenanntes Humboldt-Labor. Man betritt es durch eine Unterwasser-Video-Rund-Hängewand mit vielen bunten Fischen. Gleich vorn am Eingang ein ausgestopftes Schuppentier. Von ihm wird gesagt, dass es eines der ältesten noch lebenden Arten ist, seit über vierzig Millionen Jahren wohl. Und dass es möglicherweise auch Überträger des SarsCov2-Virus ist, darf man sich hinzudenken. Weiter hinten in der Ausstellung Reliquien der modernen Technik: ein IBM-Computer von 1981, ein Mac von 1990 und ein Commodore-PC von 2001 mit stolzen 31.743 freien Bytes.

ElfenbeinZahn

Im Kellergeschoss die reliquienartigen Innereien des Ortes: Grundmauern des alten Schlosses mit den Stümpfen von Wendeltreppen oder Wasserzuläufen. Schon geöffnet auch ein kleines Bistro im Innenhof, mehr für Erfrischungen als zum Verweilen gedacht. In den einleitenden Reden war viel von der Weltoffenheit die Rede und dass man mehr Dialog-Plattform für die globalen Fragen sein wolle als Museum. Die kurze beschämende koloniale Vergangenheit muss aufgearbeitet werden. Diskussionsreihen auch dazu sind geplant. Und zur Animation in den ersten Wochen eine Tanzreihe „Moving the forum“ oder ein Musikprogramm „Durchlüften“. Ja der Zeitgeist muss auch seinen Platz haben, ohne ein bisschen Tralala geht’s halt nicht. Immerhin: Eintritt frei die ersten hundert Tage.

ElfenbeinZahn

Interessant wird sein, wie sich die Diskussion um die sogenannte Raubkunst entwickeln wird. Hat man jemals geprüft, ob es die in den Berliner Sammlungen infrage stehenden Kunstwerke alle noch physisch geben würde, wenn sie vor Ort geblieben wären? Das ändert zwar nichts an der Frage einer möglichen Restitution, vielleicht aber doch an der nach möglichen Reparationsforderungen, wie sie ja auch zum Teil vehement erhoben werden.

Fotos: gfk