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Ekhof-Theater-Festival Gotha

Flug aus der Versenkung

Das Ekhof-Theater & Festival in Gotha

Juli-August 2000

Erst seit der Wende wird das kleine Theater wieder regelmäßig bespielt. 1996 richtete die Stadt ein sommerliches Ekhof-Festival ein. Vorstellungen gibt es im Juli und August. Neben je einer Eigenproduktion sind es vor allem Gastspiele: Kammeropern, szenische Lesungen, Konzerte, Intermezzi. So etwa jetzt, musikalisch stimmig aufgeführt von Wolfgang Katschner und seiner renommierten Berliner Lautten Compagney, Händels szenische Kantate Clori, Tirsi e Fileno, eine Dreiecksschäferei um Liebe, Leiden, Eifersucht aus der frühen Zeit von Händels italienischer Reise.

EKHOF-Theater Gotha (1683), Buehne

Das eigentliche Juwel freilich ist das Theater selbst, das älteste erhaltene Barock-Theater in Deutschland. Hier wurde Theatergeschichte geschrieben. Zumal in den Jahren 1775-78, als Conrad Ekhof, der bedeutendste Schauspieler und Theaterdirektor seiner Zeit, hier das erste ständige Hoftheater leitete. Eingebaut worden war die Bühne 1681/83 in einen ehemaligen "Ballsaal", einem Ballspiel- und Gymnastikraum (24x11x8m), im südwestlichen Eckturm des Gothaer Schlosses Friedenstein hoch über der Stadt. Bis heute hat sich die barocke Bühnentechnik erhalten. Strengstens achtete man auf Sicherheit; über dem Theater lag die herzogliche Schatzkammer. So blieb das Theater vor Bränden verschont, wie auch die Bibliothek mit ihren kostbaren Folianten.

Von Weimars Herzogin Anna Amalia war Ekhof 1774 nach Gotha vermittelt worden nach einem Schlossbrand dort. Mit Lessing hatte Ekhof sieben Jahre zuvor in Hamburg ein erstes deutsches Bürger-Theater zu errichten versucht. Den Gothaer Herzog Ernst II konnte er sowohl als Bruder in der Freimaurerloge wie auch als Gründer des neuen Hoftheaters gewinnen - auch wenn der dann Angst bekam vor seiner eigenen Courage und etwa Lessings Emilia Galotti wieder vom Spielplan strich. Die besten Schauspieler und Debütanten der Zeit zog es nach Gotha: allen voran August Wilhelm Iffland, den späteren Berliner Intendanten. Mit Georg Anton Benda amtierte hier ein Kapellmeister, dessen musikalische Mono- und Duo-Dramen, zumal die gefeierte Ariadne auf Naxos (1775), die Entwicklung der frühen deutschen Nationaloper entscheidend mit beeinflussten. Rousseaus Versuch einer neuen Mischung von Schauspiel und Musik nach antikem Vorbild in Le devin du village, die auch ausstrahlte auf die Theaterarbeit etwa am Mannheim-Schwetzinger Hof des experimentierfreudigen Karl Theodor mit dem Komponisten Cannabich als Helfer (in Elektra, kürzlich dort wieder mal eindrucksvoll erprobt), hatte eine neue Gattung kreiert, das Melodram: Textdeklamation mit Musikuntermalung - auch wenn die neue Form nur überleben konnte als gestalterisches Mittel in Werken etwa von Weber ("Freischütz"), Beethoven ("Fidelio"), bis aber auch zu Schönberg ("Erwartung"), Berg ("Wozzeck") und Nono ("Intolleranza").

Insgesamt 175 Stücke, davon 30 Opern, in 872 Vorstellungen erlebte das Gothaer Hoftheater in seiner Blütezeit. Gespielt wurde dreimal die Woche, vor allem Voltaire, Molière, Goldoni, Lessing, Shakespeare. Wie die Musiker bekamen auch die Schauspieler erstmals direkte Verträge bei Hofe. Eine Pensionskasse sollte sie absichern im Alter. Auch Bürger durften den theatralischen Ereignissen beiwohnen: als zahlende Gäste. Ein zweiter Rang wurde für sie eigens eingebaut. So entlastete der Herzog etwas seine (bei bis zu 48 zu verköstigenden Darstellern) strapazierte Schatulle - Subventionierung mal anders rum. Nach Ekhofs Tod wurde dem Herzog das Theater freilich zu teuer. Er löste die zerstrittene Truppe auf. Ekhofs künstlerisch-moralisches Vorbild zur Adelung des Schauspielerstands, seine von Goethe so gerühmte Ausstrahlung überdauerte ihn nicht. Die besten Mimen zogen weiter nach Mannheim ans neu gegründete Nationaltheater; dort hatte man um Ekhof schon gebuhlt. Anfang des 19.Jahrhunderts, als Louis Spohr in Gotha als Hofkapellmeister waltete, baute man den Theaterraum zum Konzertsaal um. Erst nach der Zusammenlegung der Herzogtümer Coburg und Gotha lebte 1827 die kleine Bühne noch einmal als Liebhabertheater wieder auf. In der Stadt baute man ein neues, größeres Theater. Abwechselnd in Coburg und Gotha spielte das neu gegründete Ensemble, der kunstsinnige Herzog selbst mit als Protagonist. Ein Foto in der dem Theater angeschlossenen geschichtlichen Sammlung zeigt ihn 1873 etwa als Major von Tellheim.

EKHOF-Theater Gotha FürstenlogeZu DDR-Zeiten wurde das Theater vor allem als Museum (es ist auch bei Aufführungen heute zugänglich) und für gelegentliche Lesungen und Kammerkonzerte genutzt. Bei einer Rekonstruktion 1966/68 baute man die Veränderungen des Zuschauerraums im 19.Jahrhundert zurück in den Zustand der Ekhof-Zeit. Der zweite Rang allerdings konnte nicht wieder geöffnet werden. Er ist baupolizeilich gesperrt. So finden nur 176 Besucher statt der möglichen 250 in dem Theater Platz. Auch die Bühnenmaschinerie kann nur allmählich aus Mitteln des Landes Thüringen restauriert werden. Wieder instand gesetzt ist neben der alten Kurtine etwa das "Herz" der barocken Theater-Maschinerie, der Wellbaum in der Unterbühne, über den die bis zu drei möglichen Verwandlungen der Prospekte gesteuert werden. Aber auch Künstler-Garderoben konnten nun endlich wieder neu eingerichtet werden. Die Bühnen-Versenkungen, eine versenkbare Rampenbeleuchtung und insbesondere die barocken Flugwerke harren noch der Restaurierung. So darf man, was Bühnentechnik anlangt, die Maßstäbe nicht gar zu hoch ansetzen.

Gleichwohl hätte man etwa in der Händel-Kantate doch etwas mehr vom alten Furor des Ortes zu spüren gewünscht. Aber der blieb vor allem dem kleinen Orchesters und seinem Dirigenten vorbehalten. Und auch die noch sehr jungen Sängerinnen und Sänger, von der Regie (Heike Hanefeld) etwas allein gelassen, konnten musikalisch doch beeindrucken, voran Doerthe-Maria Sandmann als umworbene Schäferin Clori. Die Reise nach Gotha lohnt freilich auch wegen des dem Theater angeschlossenen Museums. Und der Aufgang zum Schloss von der Stadtseite aus vorbei an den Ende des 19.Jahrhunderts gebauten stufenartigen Wasserspielen ist schon ein Erlebnis für sich.


Der Dauerpatient: Schloss Friedenstein

Heinz STADE, in: Thüringer Allgemeine, 11.Febr.2004

Das Erschrecken war groß und die Gesichter der Geladenen bleich. Als jüngst ein Expertengremium vor Ort war um den baulichen Zustand und die weithin bekannte Übernutzung von Schloss Friedenstein unter die Lupe zu nehmen, fiel just beim Rundgang vom Eingangsbereich ein Gesims herunter.
Was aussah wie ein göttlicher Fingerzeig oder Arrangement des seit Jahresbeginn neuen Eigentümers der Liegenschaft, der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, war zufälliger Beleg für den seit langem bekannten miserablen Zustand von Gothas herrschaftlicher, über Jahrzehnte stets nur notdürftig reparierten Stadtkrone. Gott sei Dank kam niemand zu Schaden und wird - an dieser Stelle jedenfalls - auch künftig niemand um sein Leben fürchten müssen, solange er nicht das seither dort flatternde rot-weiße Absperrband übersteigt.

Die dreiflügelige Schlossanlage wurde im 17. Jahrhundert auf dem Standort der früheren Burg Grimmenstein erbaut, worin schon eines der baulichen Probleme wurzelt: Die Statik. Was Forscher freut, etwa von den einstigen unterirdischen Kellern wieder einen entdeckt oder freigelegt zu haben, beschert den Bauleuten nur neues Ungemach. Es ist noch nicht lange her, dass ein Auto in ein solches Loch rutschte. Nicht weniger problematisch als die Statik ist die Tatsache, dass der Leina-Kanal, der auch die Wasserkunst am Schlossberg versorgt, zuweilen mehr Wasser führt als dem Bauwerk gut tut und so das Schloss in Abständen quasi geflutet und wieder trockengelegt wird. Die daraus resultierende Salzbelastung ist ebenso sichtbar, wie abgesprengte Bossenquader davon zeugen.

Problem Nummer drei ist die Nässe von oben. Allein die gesamte Dachkonstruktion des Ostflügels, in welchem die bedeutende Bibliothek ihr Domizil hat, ist völlig desolat und wird - welches Geld auch wann immer zur Verfügung stehen wird - als erstes größeres Sanierungsvorhaben in Angriff genommen werden müssen. Schließlich ist die gesamte Haustechnik zu überarbeiten. Dass einige Entwässerungsrohre irgendwo im Innenhof enden, sagt über den Zustand soviel wie der Stoßseufzer eines Elektrofachmannes, dass es ein Glück ist, dass es auf dem Friedenstein noch nicht gefunkt habe.

Für Stiftungsdirektor Helmut-Eberhard Paulus ist dieses Schloss "der schlimmste Patient unter den insgesamt 30 seines Krankenhauses". Für Friedenstein, das die Stiftung übernehmen musste ohne vom Land auch nur einen Euro mehr zu bekommen, ist mit der Ankündigung von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ein Silberstreif in Sicht - mehr nicht. Die aus Brüssel insgesamt zu erwartenden 8,3 Millionen Euro verteilt das Land auf das Kyffhäuser-Denkmal, auf das Bachhaus Eisenach sowie auf die Schlösser Burgk, Ranis und Friedenstein. Man muss kein Rechenkünstler sein um zu erahnen, was das für Gotha bei einem Bauvolumen bedeutet, das an die 40 Millionen Euro heranreicht.

Das Gothaer Schloss Friedenstein mit seinen kaum bekannten Kulturschätzen soll aus dem Dornröschenschlaf erwachen und als kulturelles Glanzlicht, ja als Leuchtturm über Thüringen hinaus wahrgenommen werden. So jedenfalls verlautbarte jüngst Thüringens Kunst-Staatssekretär Jürgen Aretz. Ehrlicherweise räumte er aber auch ein, dass es bis dahin noch ein langer Weg sei.