Konzerthaus Berlin
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Konzerthaus

Joana Mallwitz
Konzert Mirga Gražinité-Tyla

Joana Mallwitz

Neue Chefdirigentin des Konzerthausorchesters

07.06.2023

Joana Mallwitz, PK 07.06.2023

Viel Glamour um sie herum und auch ein paar sinnvolle Neuerungen von ihr: Öffnung hin zu einem breiteren Puiblikum -, das ist zu erwarten von der neuen Chefdirigentin des Konzerthausorchesters, Joana Mallwitz (vorher Oper Erfurt und Nürnberg). Am 7. Juni 2023 stellte sie mit Intendant Nordmann - der auf dem Sprung nach Luzern ist - ihr Programm vor. Ungewöhnlich ist ihre fast ausschließliche Präsenz bei ihrem neuen Orchester, jedenfalls in der ersten Saison.

Zur Saisoneröffnung am 31. August dirirgiert Mallwitz erste Sinfonien von Sergej Prokofjew, Kurt Weill und Gustav Mahler. Die beiden ersten Sinfonien von Weill wird sie auch für die DG im Konzerthaus für die Platte aufnehmen, per Exklusivvertrag. Auch Weills "Sieben Todsünden" sind halbszenisch geplant. Darüberhinaus widmet Mallwitz sich dem gesamten Konzertrepertoire von Beethoven bis Strawinsky und Britten.

Mit sogenannten „Expeditionskonzerten“ sowie neuen „Night Sessions“ erweitert sie die Formate am Konzerthaus um zwei Reihen. Vor ihren Sinfoniekonzerten mit dem Konzerthausorchester Berlin gibt sie dem Publikum außerdem jedes Mal eine persönliche Einführung.

Besondere Akzente in der Saison 2023/24 setzen die zehntägige Hommage zu Ehren der großen, Konzerthaus und Konzerthausorchester seit langem verbundenen Pianistin Elisabeth Leonskaja sowie der renommierte Geiger Augustin Hadelich, der als Artist in Residence solistisch mit dem Konzerthausorchester Berlin, in Rezitals und als Kammermusiker zu hören sein wird.

Vom 22. bis 26. November 2023 hat das Publikum unter dem Motto MOSTLY MALLWITZ Gelegenheit, die neue Chefdirigentin in unterschiedlichen Facetten und Kontexten kennenzulernen: Am Klavier in kammermusikalischer Gemeinschaft mit Orchestermitgliedern, als Moderatorin, zur Night Session-Premiere und an einem Wochenende mit tänzerischem Charakter im Wandel- und im Familienkonzert.

Der  Artist in Residence, der Geiger Augustin Hadelich, ist als Solist mit dem Konzerthausorchester unter Joana Mallwitz und Iván Fischer in drei Programmen zu erleben. Hinzu kommen ein Bach-Rezital, Kammermusik mit Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und Pianist Martin Helmchen, ein Konzert mit den Berliner Barock Solisten, eine Ausgabe des twitch-Livestreams #spielzeit sowie das neue Gesprächsformat „Universum Augustin Hadelich“ mit weiteren Gästen.

Gastspiele führen das Orchester mit Mallwitz und Hadelich nach Köln, Graz, Nürnberg und Mannheim. Mit seiner Chefdirigentin und dem Klavierduo Lucas & Arthur Jussen folgt es Einladungen zum Kissinger Sommer und zum Rheingau Musikfestival. An der Staatsoper soll sie einen „Rosenkavalier“ dirigieren. Ob der Hype um sie künstlerisch gerechtfertigt ist - bei ihrem „Così fan tutte“-Dirigat zu den Salzburger Festspielen 2020 wäre ich nie darauf gekommen.

Foto: gf-kühn


Hinübergleiten ins Jazzig-Tänzerische

Mirga Gražinité-Tyla mit Musikern aus Osteuropa im Konzerthaus Berlin

02. März 2018

Diese Leichtigkeit, diese Energie – auch mit diesem Konzert konnte die aus Litauen stammende Dirigentin Mirga Gražinité-Tyla erstaunen und beglücken. Diesmal nicht im eng geschnürten Kleid und mit hochgesteckten Zöpfen, überrascht sie in einem weiten gelb-roten Blüschen mit dunkler Hose. Das Programm hat man etwas umgestellt, beginnt mit kammermusikalisch begleiteten Chören von Osvaldas Balakauskas (geb. 1937), teils litaneiartig wie bei Arvo Pärt, teils rhythmisch akzentuiert folklorehaft. Als Chor-Dirigentin hat Mirga Gražinité-Tyla ursprünglich begonnen. Wunderbar wie sie hier die „Camerata Silesia“ aus Kattowice führt.

Schlussbeifall Lit.Nat.Orchester und Mirga G-T

Dann der Knaller des Abends, ein Duo von Solovioline und Klavier mit Streichorchester, „Bruderschaft“ von Vakhtang Kakhidze (geb. 1959). Dabei höchst virtuos und fulminant musikantisch Mirgas quicklebendige jüngere Schwester Onuté Gražinité am Flügel. Das Stück gleitet fast unmerklich ins Jazzig-Tänzerische, wobei die Pianistin mit Fingern und Füßen den starken Taktteil betont. Dazwischen ein etwas besinnlicher Teil und zum Schluss ein dann – auch noch nach enthusiastischem Beifall wiederholter – rasend schneller Schlussteil, bei dem die Dirigentin – gleichsam wie eine Probe fürs Wiener Neujahrskonzert – das Publikum zum Mitklatschen animiert.

Nach der Pause das „De profundis“ für Streicher von Raminta Šerkšnyté (geb. 1975), ein leicht irrlichternd-irritierendes Stück mit hohen Unisono-Geigen-Einwürfen von kleinen Terzen und Sekunden. Zum Schluss das ganze Ensemble des Litauischen Nationalen Sinfonieorchesters. Mirga Gražinité-Tyla kann da aus dem Vollen ihrer interpretatorischen Raffinesse schöpfen bei Igor Strawinskys „Sacre du printemps“, auch wenn das Orchester aus ihrer Heimat hörbar nicht den Rang hat des Orchesters in Birmingham, dessen Chefin sie ist. Dennoch langer enthusiastischer Beifall.

Das Konzert war ein „Nachklang“ zum „Festival Baltikum“ des Konzerthauses – mit auch viel diplomatischer Prominenz im Parkett. Sicher ein Höhepunkt.

Foto: gf-kühn