Es schien eine gute Idee des jungen Intendanten der Oper Halle, Florian Lutz, den früheren Hallenser Regie-Champion Peter Konwitschny für eine neue Händel-Inszenierung zu gewinnen. Vor dreißig Jahren hatte Konwitschny dort seinen Ruhm begründet. Und Lutz, der in der Saale-Stadt mit forschem Umkrempeln des Betriebs so sehr aneckte, dass inzwischen sein Vertrag auf Nicht-Verlängerung begrenzt wurde, konnte eine Unterstützung gut brauchen. Das Haus hatte zwar gerade in dieser Woche auch eine Belobigung durch die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, erfahren. Sie vergab den Theaterpreis des Bundes diesmal u.a. nach Halle. Allerdings hatte der Intendant für seinen Kampf gegen die lokalen Windmühlen sich Hilfe geholt bei Fürsprechern, die zwar für andersartiges aber nicht gerade für hoch-artifizielles Regie-Theater stehen. Nicht so überzeugend.
Die Rückkehr Konwitschnys nach Halle hat nun zwar die in den letzten Jahren arg mittelmäßige Riege von Regisseuren der alljährlichen Händel-Festspiele aufgehübscht. Eine wirklich spannender Opern-Abend ist mit Händel „Cesare in Egitto“ (1724) allerdings daraus nicht geworden. Was man an Konwitschnys Musiktheater früher immer bewundern konnte, die von der Musik und der Dramaturgie her inspirierte Personenführung und Durchdringung des Stoffes auf der Bühne, sucht man hier vergebens. Stattdessen viel spielastischer Leerlauf, Bewegung um der Bewegung willen, müde déja-vues. So etwa, wenn die Witwe des ermordeten Römer-Feldherren Pompeius, Cornelia, als Mutter Courage mit Warenkarren einrollt; oder, wenn sie sich der Trauer um den geliebten Mann hingeben will, ein hinzugefügter kleiner Sohn im Freibeuter-Kostüm ständig mit einem Spielzeug-Jeep ihr dazwischen fahren und kecke Sprüche ablassen muss.
Die Idee, den Einzug Caesars und seiner kleinen Truppe per U-Boot zu gestalten – eine U-Boot-Attrappe fährt da zu Beginn aus dem Bühnen-Boden hoch –, ist zwar ganz witzig, holt die mehr als 2000 Jahre alte Geschichte sozusagen näher heran ans Heute. Auch den toten Pompejus (musikalisch die Partie des Sextus) als Johanaan-Kopf auf der Salatschüssel singen zu lassen, hat Pfiff. Das Ägypten Helmut Brades mit Papp-Palmen/-Pyramiden und Knebelbart-Finsterlingen allerdings wirkt doch arg Fantasy-Kindertheater-artig. Caesar darf an der als Lydia-Putzmaid sich verkleidenden Cleopatra in einem gold-türkis glitzernden Alkoven seine Männlichkeit erproben. Auch ein Staats-Bankett zwischen Cleo-Bruder Ptolemäus und Caesar ist arrangiert, wobei natürlich am Ende die mitwirkenden Vorkoster ins Jenseits sich verabschieden und die beiden Potentaten darob ein fröhliches Saufgelage zelebrieren.
Vieles wirkt arg aufgesetzt. Und leider versöhnt einen auch nicht die musikalische Seite. Das Händel-Festspiel-Orchester wird von Michael Hofstetter zwar durchaus feinfühlig, wenn auch oft etwas breit geführt. Aber alle Arien voll im ABA-Format singen zu lassen, das erstickt noch den Rest an dramatischer Spannung und Feuer. Und sängerisch kann nur der Caesar (ursprünglich eine Kastratenstimme) von Grga Peroš überzeugen; er hat zwar kein sehr weiches Organ, aber die Koloraturen perlen geschliffen sauber. Vanessa Waldhart als Cleopatra prunkt zwar mit schlanken Höhen, aber ihre Stimme klingt etwas scharf und gepresst. Bei Svitlana Slyvia als Cornelia wünschte man sich etwas weniger Vibrato. Gesungen wird (wie üblich bei Konwitschny) in einer deutschen Übersetzung von Werner Hintze, was dann doch den Touch von Kindertheater noch verstärkt.
Vor Beginn der Vorstellung gab es noch drei Reden, zuletzt die des englischen Botschafters. Der rühmte die enge, gerade auch durch Händel verkörperte Verbundenheit von Deutschland und England. Ob ein Brexiteer, für den die Botschaft vielleicht hilfreich sein könnte, im Publikum saß? Man weiß es nicht.
01. Juni 2007
Halles
Händel-Festspiele werden gelenkt von Musikwissenschaftlern.
Das hat sein Gutes, bekommt man so doch Aufführungen zustande, die
philologisch stets auf dem neuesten Stand sind. Halles Händel-Festspiele
sind aber auch ein Festival, das den Opern-Komponisten Händel besonders
pflegen will. Und da kommt die theatralische Qualität oft zu kurz.
Dass man Händel als Theaterkomponisten für ein breiteres Publikum neu
erfinden müsste, hat sich erübrigt. Jedes bessere Stadt- oder
Staatstheater hat heute wenigstens eine Händel-Oper im Programm. Händel
ist „in“. Nicht nur bei den Liebhabern des Barock, auch bei vielen
Sängern und Regisseuren. Gerade ihnen eröffnet die durchbrochene Form
seiner Opern mit Rezitativ und Arie reizvolle Gestaltungsmöglichkeiten.
Gewandelt haben sich aber die Voraussetzungen. Marschierte Halle einst
an der Spitze einer Reformbewegung, die Händel fürs Theater
zurückgewinnen wollte, müsste es heute dafür sorgen,
mustergültig-praktikable Aufführungen der Händel-Opern zu präsentieren
für ein Publikum von heute. Und dieses hat ein anderes Zeitgefühl und
auch ein anderes Zeitbudget als das im London des frühen 18.
Jahrhunderts.
Es gab Perioden in den 1950er Jahren und dann wieder in den 1980ern,
als in Halle Regisseure am Werk waren, deren Produktionen Maßstäbe
setzten, international – bei Peter Konwitschny sogar gegen heftigste
innere Widerstände.
Seit der Wende hat man mehr das Augenmerk gelegt auf die
aufführungspraktische Korrektheit. Zumal im Orchester- und im
Sängerbereich hat man mit dem Einsatz von Originalklang-Instrumenten und
auch von Counter-Tenören und -Altisten große Fortschritte erzielt. Die
theatralische Seite aber blieb immer mehr zurück.
Pseudo-Aktualisierungen kamen in Mode. Die Konflikte der Opern-Figuren
wurden allenfalls in ein zeitgenössisches Ambiente versetzt, die
seelischen Tiefen der Händelschen Musik blieben unausgeschöpft.
Es bedürfte mithin einer ganz anderen Sensibilität bei der Auswahl von
Regisseuren und Ausstattern, um hier wieder nach vorn zu kommen.
Musikern oder Musikwissenschaftlern eignet solche Sensibilität selten.
Auch Theater-Routiniers werden hier nicht weiter helfen. Es gibt aber
unter – nicht nur – jüngeren Theatermacherinnen und Theatermachern
durchaus Namen, von denen man sich solch vertiefte, innovative und
vielleicht maßstabsetzende Arbeit versprechen darf.
Andernfalls wird Halle mit seinen Produktionen Händelscher Opern weiter
zurückfallen. Für ein Festival, das auf internationale Ausstrahlung Wert
legt, keine Empfehlung. Nicht Quantität ist heute gefragt, sondern
Qualität.
Dabei war die Eigenproduktion 2007, der späte Ariodante (1735),
sicher nicht die schlechteste. Man hat schon Schlimmeres erlebt. Stephen Lawless hat sich
mit seiner Sicht auf diese Art Lohengrin-Genoveva-Stoff aus Ariosts
Orlando Furioso immerhin bemüht, auch tiefere Schichten
anzukratzen.
Und die Musik Händels, der nach dem zweiten Bankrott seiner
Opernkompanie um ein letztes Come back kämpfte, ist geradezu eine
Perlenschnur an hochkarätigen, meist schnellen Arien. Mit der
Einbeziehung von Ballett nähert das Stück sich in der Form der französischen Oper Rameaus
an, abgeschmackt
allerdings die Choreografie von Nicola Bowie.
Nachhaltig beeindrucken können Lawless und seine Ausstatter
Benoit Dugardyn und Sue Willmington mit ihren Schotten-Golf-Assoziationen aber
nicht. Eine überzeugende Braut Ginevra ist Gilian Keith.
Federico Maria Sardelli leitet das
Händelfestspiel-Orchester mit Tempo.
Ein Mann liegt im Sterben, ein König. Und die Musik, die ihm Händel
dafür erfindet, gehört in ihrer heiteren Gelassenheit zum Schönsten
nicht nur dieser Oper sondern seines ganzen Œuvres. Doch etwas könnte
den König retten - Admeto, die Titelfigur: dass ein anderer sich für ihn
opfert und an seiner Stelle in den Tod geht. Seine Gattin, im Stück
heißt sie Alceste, tut das. Dabei war sie gar nicht des Königs
Wunschfrau. Admeto heiratete sie, weil eine andere Frau, die ihm als die
schönste verheißen war, nach dem Bild, das er von ihr zu sehen bekam,
sich gar nicht als so schön erwies. Freilich, der König weiß nicht: sein
eigener Bruder Trasimede, der sie als Braut werben sollte, vertauschte
die Bilder. Er selbst begehrte sie.
Die Oper „Admeto“, die Händel mit großem Erfolg 1727 in London
uraufführte und dann immer wieder ansetzte, zeigt eine Variante des
„Orpheus und Eurydike“-Mythos – aktuell nicht nur für die damalige Zeit.
Es geht um Sein und Schein. Und der König versucht nicht selber durch
den Gang in den Hades Alceste zurück zu holen. Er schickt sein Faktotum
Herakles. Und der bringt sie tatsächlich zurück, nicht ohne ihr schöne
Augen zu machen. Freilich auch die andere Frau, die Trojanische
Prinzessin Antigona, die der König hatte werben lassen wollen, hat sich
mittlerweile aufgemacht gen Westen. Sie verdingt sich an seinem Hof in
Thessalien als Gärtnerin – ein beliebtes Motiv in der Zeit. Inkognito
möchte sie erkunden, warum der König sie verschmähte. Und irgendwann
begegnen sie sich. Der König, der nichts davon weiß, dass seine Frau
Alceste lebt, verliebt sich in sie. Er will die neue Frau heiraten. Und
nun taucht die erste Frau auf, will die Rivalin töten. Am Ende hat der
König zwei Frauen. Er müsste sich entscheiden.
In der Neuinszenierung zu den Händelfestspielen in Halle - erstmals nach
fast vier Jahrzehnten - kommt dieser
existenzielle Konflikt um Liebe, Verzicht, Begehren als eher klamottige
Mischung aus Krankenhaus-TV-Serie „In aller Freundschaft“ mit
James-Bond- und Frankenstein-Motiven daher. Der Sänger und vermehrt als
Regisseur sich versuchende Axel Köhler hat sie entwickelt zusammen mit
dem Bühnenbildner Roland Aeschlimann. Spitalbetten und an die Rückwand
projizierte Röntgenbilder sind die wiederkehrenden Requisiten. Herakles
befreit die tote Alceste aus einer Art Transplantationsklinik. Die
entnommenen Spenderorgane setzt er ihr wieder ein. Die auf der Suche
nach dem versprochenen König versetzte Trojanerin Antigona kommt im
Kastenwagen mit rumpelndem Getöse auf die Bühne gerollt. Die
Palastwachen gerieren sich wie eine Sondereinsatztruppe. Und Trasimede,
der treulose Königs-Bruder, ist ein für die Psychiatrie reifer
Harry-Potter-Verschnitt.
Musikalisch hat das unter Howard Arman freilich hohes Niveau. Präzis
leitet er das Händelfestspielorchester. Matthias Rexroth in der
Titelpartie hat anfangs noch etwas Probleme mit den Registern, steigert
sich aber merklich. Mechthild Bach ist mit ihrem leichten
Koloratursopran eine wunderbare Antigona, Romelia Lichtenstein die
zwischen Liebe und Rache pendelnde Gattin Alceste, Tim Mead der
hippelige Trasimede. Händel, der für die
Uraufführung die besten Sänger seiner Zeit hatte, ließ die Arien fast
ungebremst wuchern. Man gibt sie in Halle fast ungekürzt. So dehnt sich
der Abend auf über vier Stunden. Statt schaler „Modernisierungen“ aus
dritter und vierter Hand sollte man in Händels Geburtsstadt sich endlich
an eine Dramaturgie wagen, die seine Opern auf ein für unser Zeit- und
Lebensgefühl adäquates Maß bringt. Immerhin man hatte trotz Fußball-Oper
ein volles Haus. Das Spielergebnis erfuhr man in den Pausen von den die
Straßen laut hupend durch rasenden Fans. Es gab am Ende dieser vom
Fernsehen aufgezeichneten Aufführung auch schüchterne Buhs. Ansonsten
eitel Jubel. Und musikalisch war es, wenn man von den Längen absieht,
durchaus ein Genuss. Es ist eine der anspruchsvollsten Händel-Opern und
auch schönsten.
Das Auffallendste an dieser Händel-Oper sind die wunderbaren
Trauergesänge. Die Handlung beginnt schon damit, dass die Titelfigur
Rodelinda als Trauernde gezeigt wird. Eine Herrscherin oder
Herrschersgattin mit Herz und Gefühl, zu den zartesten Empfindungen
fähig, zu Gefühlen innerster Bewegtheit, die sie nicht hinter der Maske
der Potentatin verbirgt. Und auch ihr Mann, der Langobarden-König
Bertarido, wird schon bei seinem ersten Auftritt gezeigt nicht als
kalter, berechnender Herrscher, der seinem Machtkalkül alles
unterordnet. Auch er erscheint als Mensch, als Mann mit Gefühlen, fähig
seinem Schmerz Ausdruck zu geben.
Rodelinda. Die Geschichte
spielt im Ober-Italien der Langobarden.
Äußerlich eine jener Intrigen-Geschichten, wie sie üblich waren in der
Barock-Oper. Aber die Verschiebung der Achse vom äußeren Machtspiel ins
Innere der Figuren zeigt die besondere Intention und Kunst Händels als
Musikdramatiker. Und musikalisch ist er dort am bewegendsten, wo er sich
gleichsam fallen lässt ins Innere dieser Figuren, wo er zumal zeigt, wie
die beiden Protagonisten ihren Schmerz bewältigen: Bertarido, der von
einem tyrannischen Nebenbuhler um seinen Thron gebracht im Untergrund
lebt und dort seiner Frau Rodelinda wiederbegegnet. Die glaubte ihn für
tot und machte schon, Realistin, die sie ist, Anstalten, dem neuen Mann
sich hinzugeben, um so ihren Thron-Anspruch zu wahren.
Mit Rodelinda begann einst die Händel-Renaissance in den 1920iger Jahren
in Göttigen. Auch in Händels Geburtsstadt Halle wurde diese Oper immer
wieder inszeniert. Heuer erstmals in einer Fassung, die Händel für die
zweite Aufführungsserie Ende 1725 umarbeitete. Er hatte damals neue
Sänger mit anderen Spezialitäten. Geblieben sind die Lamenti. Und davon
müsste eine Inszenierung ausgehen. Peer Boysen, den man diesmal als
Regisseur und Ausstatter holte, macht daraus freilich ein sehr
äußerliches Bäumchen-wechsle-dich-Spiel einer kasperlehaften
Brecht-Moritat. Die da capi werden mit albernen Balletteinlagen von
vervielfältigten Doubles der jeweils singenden Figur verdoppelt. Vom
inneren Kampf der Figuren ist auf dieser aus kegelförmigen Ringen
geschichteten Bühne mit dem Kinderthron obenauf und einem
baldachinartigen Kreisdeckel drüber nichts zu spüren.
So verlässt man sich besser auf die Musik. Und die ist bei Michael Hofstetter in allerbesten Händen. Das Händelfestspielorchester des
Opernhauses Halle, das sich seit der Wende endlich der
Originalklang-Bewegung anschließen durfte, ist in dieser Spiel-Technik
immer mehr gewachsen. Und auch das Sängerensemble, zumal die Rodelinda
der Romelia Lichtenstein und der Bertarido von Altus Kai Wessel bieten
Händelgesang auf höchstem Niveau. Gesungen wird italienisch, allerdings
mit einer völlig unzureichenden, auf Stichworte sich beschränkenden
Übertitelung – was beim Publikum einen Teil des Unmuts angestachelt
haben dürfte.
Als Neuerung versucht man in Halle als Festival im Festival ein
„Electric Renaissance“ genanntes heuer dreitägiges Event im „KulturStadtHaus“
am Markt mit Installationen und Diskussionen, um mit einem interaktiven
Händel-„Remix“ junges, studentisches Publikum auch für die Oper zu
gewinnen. Mit Erfolg? Frage an Festivalchefin Hanna John:
Die beste Werbung für die Oper wären Inszenierungen, die den Weg öffnen zu den Werken, zu dieser Musik. Da war man in Halle vor zwanzig Jahren, als Peter Konwitschny seine ersten Schritte wagte, schon mal sehr viel weiter.
Die Uraufführung liegt 275 Jahre zurück. Die Premiere jetzt war dennoch
fast das Gleiche. Lotario heißt diese vielleicht nur Forschern noch
bekannte Oper. Sie teilte das Schicksal so mancher Spätlinge. Die Zeit,
sie angemessen zu rezipieren, war vorüber. 1729, Händels „Royal Academy of
Music“, mit deren Hilfe er so viele Opern in London herausbrachte, war
bankrott gegangen und er musste eine neue Company gründen. Sogar das
Adels-Publikum war die endlosen Liebeshändel, verkapselt in mythologische
Geschichten, Leid.
Es wollte auch auf der Bühne mehr Reelles. Und
Kostproben davon hatten die Leute ja schon bekommen mit der Beggars’
Opera, jenem Werk das in der Neuauffrischung durch Brecht und Weill auch
in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts die Opern-Rezeption in
Deutschland so gründlich umkrempelte. Mit Lotario wollte Händel, bevor er
dann doch zu Änderungen seines Konzepts notgedrungen sich entschloss, noch
einmal eine italienische Opera seria alten Stils mit endlosen Rezitativen
und Arien ausprobieren. Es ging schief. Die Leute mochten sie nicht. Sie
war, wie ein Zeitgenosse wohlmeinend berichtet, ihnen „zu sorgfältig
gearbeitet“.
Lotario erzählt die Geschichte von der Befreiung der italienischen Königin
Adelaide aus den Fängen ihres Widersachers Berengario und seiner
machtgierigen Gattin Matilde. Beide wollen ihr den Thron Italiens streitig
machen und sie mit dem eigenen Sohn verheiraten, der allerdings den Eltern
bei ihrer Intrige kräftig in die Suppe spuckt. Unter dem Namen Lotario
haben Händel und sein Librettist Rossi den deutschen Kaiser Otto I.
versteckt. Der nämlich befreit die arme Witwe Adelaide und heiratet sie –
auch wenn die mehr als tausend Jahre zurück liegenden historischen Fakten
nicht ganz übereinstimmen mit dem, wie Händel die Geschichte erzählt. Die
Oper ist ein Füllhorn schöner Arien und lyrischer Innenschauen. Und die
konzertante Aufführung durch Paul Goodwin und das „kammerorchesterbasel
barock“ machen durchaus Lust auch auf eine szenische Erprobung. Zumal mit
so exzellenten Solisten wie der spanischen Sopranistin Nuria Real
mit ihrer glockenhellen Stimme als umkämpfte Königin Adelaide und dem
amerikanischen Counter Lawrence Zazzo als ihrem Befreier Lotario,
alias Otto, mit seinem bemerkenswert ausgeglichenen und voluminösen Organ.
Allerdings sind die originalen Längen-Maße der Händelschen Partitur für
unser Zeitgefühl heute kaum tragbar. Händel hat ja dann selber etwa die
Wiederholungsteile seiner Arien gestutzt. In Halle kann man sich nach wie
vor kaum dazu entschließen.
Der Eigenbeitrag des Opernhauses zu den diesjährigen Händel-Festspielen
war eine szenische Aufbereitung des Oratoriums Hercules aus dem Jahre
1743. Händel hatte da die Oper schon ganz hinter sich gelassen. Es war
kein Geld mehr damit zu verdienen. Er musste nach neuen Ufern suchen, auch
wenn er seine Oratorien durchaus szenisch dachte. Der Regisseur und
Ausstatter Fred Berndt wählt für seine Inszenierung eine quasi
halbszenische Form. Der Chor sitzt anfangs als bronzebehelmte Soldateska
des Kraftprotzes Herkules mit auf der Bühne hinter einer Gazewand, auf die
immer mal wieder Filmspots mit dem Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger
projiziert werden. So richtig prickelnd ist das letztlich nicht, auch wenn
mit Ann Hallenberg als der von Herkules immer mal wieder in die
Ecke gestellten Gattin Dejanira ein Mezzo der Extraklasse zur Verfügung
steht und unter Alessandro De Marchi vom Händelfestspiel-Orchester
frisch musiziert wird.
Die Beweislage ist dünn – ähnlich einigen weltpolitischen
Verwicklungen derzeit. Händel
ein Franzose? Immerhin Glück gehabt! Nach zwei Jahren, in
denen man in Halle vor allem die britischen Bindungen des in London
lebenden deutschen Komponisten italienischer Opern hervorkitzelte und
auch entsprechende „Schirmträger“ aus den Sphären der Politik zum
Festival an die Saale bat, blickte man in diesem Jahr politisch
korrekt zum Bruder Frankreich.
Die als Beweis des
auch französisch „vermischten“ Geschmacks in Händels Werk
herangezogene frühe Oper Teseo
bietet allerdings wenig Anhaltspunkte. Zwar finden sich einige
dramaturgische Anregungen der französischen Hofoper
Lullys: wie eine komplexere, dabei
drangvollere 5-aktige Erzählstruktur, größere orchestrale Pracht,
tänzerische Einlagen. Ansonsten aber ist das italienische Barockoper
pur mit unsinnigen mythologischen Verquickungen und überbordenden
höfischen Intrigen, wo ein Theseus als Kriegsheld und Liebhaber
konkurriert gegen den lokalen König, und eine Medea als zaubernde
Oberintrigantin die Fäden zieht und viele ins Unglück zu stürzen
versucht, bis endlich die Götter einschreiten. Immerhin einige
berauschende Arien hat dies Werk von anno 1713. Der
Counter Axel Köhler als Regisseur hat
Teseo augenzwinkernd mit ein paar
Gags aus dem Asterix-und-Obelix-Repertoire
gewürzt. Dargeboten wurde die Koproduktion mit den Festwochen Hannover
Herrenhausen und dem Bayreuther Barockfestival im kleinen Lauchstädter
Goethe-Theater unter der lebendigen musikalischen Leitung von Wolfgang
Katschner mit seiner frisch aufspielenden
Lautten Compagney. Umjubelter Star als strippenziehendes
Monster: die Medea von Maria Riccarda Wesseling
mit ihrem satten Koloratur-Mezzo.
Von ganz anderem Kaliber ist die 1740 uraufgeführte vorletzte Oper
Imeneo.
Da war Händels Londoner Adelsoper längst die
Themse hinunter geschwommen, und er auf der Suche nach einem
neuen Publikum. Was dann wiederum über zwei
Jahrzehnte später bei dem Wiener Team Gluck/Calzabigi
als „Reformoper“ reüssierte, ist hier schon angelegt: eine
Konzentration auf wirkliche menschlich-dramatische Konflikte ohne
Mythenbrimborium und höfische Intrigen: Ein Werk an der Zeitenwende.
Im Mittelpunkt eine junge Frau, Rosmene.
Sie soll sich entscheiden zwischen einem Mann, der sie aus den Händen
von Kidnappern befreit hat und den auch ihr regierender Vater als
Schwiegersohn wünscht, Imeneo, oder dem
Mann, den sie liebt von Herzen, Tirinto.
Sie entscheidet sich, nach einer kurzen vorgetäuschten Flucht, diesmal
in den Wahnsinn, für den Mann der Vernunft. Und die Vernunft – es
handelt sich bei Imeneo wohl um
eine in Reserve gehaltene Hochzeitsoper für den englischen Hof; man
beliebte dort, Heiraten aus bestimmten Gründen recht kurzfristig zu
arrangieren -, die Vernunft steht hier noch ganz im Widerstreit mit
den Gefühlen. Der ausgedehnte Schlusschor in Moll ist geprägt aber von
tiefer, sehnsuchtsvoller Melancholie.
Die Inszenierung von
Michael McCaffery als Beitrag des
Hallenser Opernhauses kommt über ein Arrangement nicht hinaus. Preziös
ausgestattet in einem exotisch vermauerten Zimmerambiente hat das
Frank Philipp Schlößmann. Um einen
schlanken Ton müht sich Uwe Grodd am Pult
des Händelfestspielorchesters. Mit Ulrike Schneider als der verletzte
Liebhaber Tirinto und Alexandra Coku als umworbene
Rosmene hat man indes erste Sängerkräfte mit auch
darstellerischer Präsenz aufzubieten. Musikalisch von geradezu
Sturm-und-Drang-Qualität ist die Arie Tirintos,
als er, von Eifersucht gequält, erfährt, dass wohl der Mitbewerber zum
Zuge kommen wird. Interessant auch die gelegentlich in die Handlung
eingreifenden Chöre. Mit ihren Unisono-Einwürfen hat Händel
musikästhetisch auch hier einiges an neuer Einfachheit vorweggenommen,
wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. Gluck und Händel trafen sich
übrigens einige Jahre danach in London. Sie veranstalteten ein
gemeinsames Konzert. Und Gluck gab später zu Protokoll, er habe
Wesentliches für seine weitere Entwicklung von dieser Begegnung auf
der Insel profitiert. Händel allerdings blickte
eher spöttisch auf den Kollegen vom Festland. Die kontrapunktischen
Künste wie er verstand der nicht. Aber eben das war des Jüngeren
Chance.
Toll trieben’s die alten Griechen. Zum Beispiel
Odysseus – zielsicher peilt er jeden Weiberrock an, nur navigieren, das
kann er nicht. Krachend landet sein Schiff beim
Skyrer-König Licomede statt im Hafen
in den Palast-Wänden und stört den alten Herrn beim Golfen. Aufspüren
will Odysseus den Achill. Der wurde von klein auf in Mädchenkleidern
versteckt und hier auf der Insel geparkt, damit er nicht nach Troja in
den Krieg muss, um dort wie prophezeit zu sterben. Nun brauchen die
Griechen ihn, sonst können sie die Burg nicht knacken. Odysseus betätigt
sich als scout.
Als Comic mit einem Maximum an Unsinnigkeiten hat der britische
Regisseur Nicholas Broadhurst diese
Deidamia eingerichtet. In
Taucheroutfit im Haifischbassin oder beim Wasserski, als Polarforscher
in den Gletschern, als Cowboys und -girls im Kakteenwald jagen die
Figuren einander. Nur Deidamia, die
Königstochter, scheint einigermaßen klar im Kopf. Als Protagonistin
eines künftigen Reichs der Frauen darf sie auch bei
Händel schon mit den Nachtigallen zwitschern. Und Ann
Monoyios behält Façon und Stimme leicht,
welche Seichtheiten der schnell ermüdenden
Broadhurstschen Spaßgesellschaft sie auch zu durchwaten, zu
durchsurfen, zu durchschießen oder als verhinderte Raumfahrerin zu
durchschweben hat.
Händels letzte Oper Deidamia, für den
Opernunternehmer europäischen Zuschnitts in London 1741 der Sargnagel zu
seiner definitiven Pleite, ist der Eigenbeitrag des Opernhauses Halle zu
den Händel-Festspielen 2002. Erstmals wird sie
gegegeben in der revidierten Fassung der neuen
Händel-Gesamtausgabe. Als den "kulturellen Leuchtturm" der
Saale-Stadt pries SPD-Oberbürgermeisterin
Ingrid Häußler das Festspiel beim Festakt. Und der neue
CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer fand das sogar noch
untertrieben. Das Wohlwollen des Landesvaters jedenfalls scheint zu
ruhen auf der fast 1200-jährigen Stadt, die heuer auch noch 500 Jahre
Universität und 350 Jahre Naturforscher-Akademie Leopoldina feiert.
"The King shall rejoice" – zum Thema dieses Jahres (dem
König möge es gefallen) ließ man sich inspirieren durch das
Thronjubiläum der britischen Königin. Händel wählte es als Motto seiner
Musiken für das englische Königshaus. Allerdings hatte er es mit Royals
zu tun, die sich nicht nur vorzugsweise für Pferde, Hunde und Tampons
interessierten. Einen wirklichen Lord, den ehemaligem Außenminister
Howe, hatte man als Schirmherrn und launigen
Festredner gewonnen. Mit auf dem Programm stehen auch die Festmusiken
zur Krönung des zweiten George 1727, die das "Kings
Consort" im Hallenser Dom zelebriert. Man hat Nachholbedarf
- auch bei den Künstlern der Barockmusikszene, die erst allmählich nach
Halle kommen. William
Christie beispielsweise steht ganz oben auf der Wunschliste.
Mit Alessandro de Marchi am Pult
sowohl des Festakts wie der Deidamia-Premiere
hatte man immerhin einen für Halle neuen Dirigenten gewonnen. Und dem
Händelfestspielorchester, dem der historischen Musizierpraxis
angenäherten Opernorchester der Stadt, wusste er einen höchst
dynamischen Händel-Klang zu entlocken sowohl beim Festakt wie der
Deidamia-Premiere. Musikalischer
Höhepunkt des Eröffnungswochenendes freilich war eine konzertante
Aufführung im Goethe-Theater Bad Lauchstädt, vor den Toren der Stadt.
Auch hier feiert man Jubiläum, das zweihundertste.
Les TalensLyriques
unter
Christophe Rousset spielten
dort Arianna in Creta.
Die Oper über den Ariadne-Stoff ist Händels vorletzte, 1733 geschrieben,
das kriselnde Unternehmen vor dem Untergang zu retten. Mit
atemberaubenden Koloratur-Kaskaden versucht der Komponist sich zu
stemmen gegen die auf Stimm-Exhibitionismus getrimmte "Adelsoper" des
Konkurrenten Porpora, die ihm da
schon den Rang abgelaufen hatte. Mit geradezu körperlicher Hingabe
gelang es den Musikern und den exzellenten
Sängerinnnen – fünf Frauen- bzw. Kastratenpartien, dazu ein Bass
- diese Musik zu verlebendigen. Zumal
Kristina Hammarström in der Rolle des
Minotauros-Töters Theseus konnte mit
gestochen klaren Koloraturen brillieren. Aber auch Sängerinnen wie
Sandrine Piau,
Anne Lise Sollied, Ann Hallenberg
machten diese Aufführung zum Erlebnis.
Zum Festakt kam sogar der Bundeskanzler.
Und neben dem Versprechen, für die Ansiedelung der geplanten
Bundeskulturstiftung in Halle (auf Bitten der
Oberbürgermeisterin) sich zu erwärmen, hatte er auch allerlei
Nettes und Neckisches über Halles "geehrten Meister des Komponierens"
im Gepäck. Als mutigen "Modernisierer, Meister der Eigeninitiative und
Musterbeispiel pragmatischer Selbständigkeit" lobte er den Georg
Friedrich Händel, als Europäer "lange bevor Europa ein
politischer Begriff werden konnte". Immer habe er, "ein wahrer
Vorkämpfer der Wissensgesellschaft", sich die "besten
Bedingungen zum Lernen" gesucht. Zum Auslandsstudium habe es
ihn nach Italien gezogen und dann nach London, um "sein eigenes
Opern-Start-up" zu gründen. Zum
"echten Global Player im doppelten
Wortsinn" habe er sich da emanzipiert, ein "europäischer Künstler und
Unternehmer, der das Risiko nicht scheute" - Pleiten inklusive. Und
auch wenn er 1728 mit seiner Londoner Operngesellschaft "materiell am
Ende" war, geschafft habe er es, immerhin "50 Prozent seiner Ausgaben
aus dem freien Kartenverkauf zu decken - eine Quote, über die heute so
manches Opernhaus froh wäre", schmunzelte süffisant Gerhard
Schröder.
Die 50.Händel-Festspiele sind dies in der Zählung
seit dem Kriege, veranstaltet alljährlich mit Schwerpunkt Oper.
Händel-Feste gab es davor immer mal wieder zumal seit den 1920er
Jahren, aber in unregelmäßiger Folge, mit unterschiedlichem Gewicht
und ungezählt. Und weil die jetzigen auch schon die 68sten sein
könnten, will man künftig ganz verzichten auf die Weiter-Nummerierung.
Das Feiern wollte man sich gleichwohl nicht vermiesen lassen. Und
nicht nur den Bundeskanzler konnte Händels Geburtsstadt zu ihren
Jubiläums-Festspielen als Schirmherr gewinnen, auch den alten und
neuen englischen Premier Tony Blair. Der freilich genoss doch
lieber seinen frischen Wahlsieg fern der Saale. Opulent ist das
Jubiläums-Programm bestückt. Auch Sir John Eliot Gardiner,
erst- und einmalig im Musikjahr 1985 beim Händel-Fest in Halle (damals
mit einer Aufführung des Oratoriums Israel in Egypt,
von der die Besucher noch heute schwärmen), war
gekommen mit Monteverdi Choir und Baroque Soloists.
Sein Messiah wurde
zumal mit so wunderbaren Solisten wie der knabenhaften Sopranistin
Joanne Lunn und dem ungemein leicht
intonierenden Altus Daniel Taylor zum Triumph.
Das wohl berühmteste Händelsche Chorstück indes, das die Politiker von Stadt und Land beim
Festakt gern als heimliche Hymne auf Händels Geburtstadt, als "Halle
Luja", interpretierten - bei Gardiner, der beim Festakt zum neuen Händel-Preisträger
dekoriert wurde, klang es doch in durchaus "angel-sächsischer"
Diktion. Aber man spürte auch: Gardiner hat durch seine Bach
Cantata Pilgrimage,
jene beispiellose Aufführungsserie sämtlicher 198
Bach-Kirchen-Kantaten im vergangenen Bach-Jahr quer durch
Europa und Amerika, auch sein Händel-Bild geschärft. Was bedeutet für
ihn Händel, gerade auch im Vergleich zu Bach nach diesem Kraftakt? Wie
"Zwillinge", aber "im Grunde total verschieden" empfindet er beide,
"der Händel war viel mehr ein Entertainer, mehr U-Musik als E-Musik",
sagt er im Gespräch. Bach, zumal in seiner Vokalmusik sei zwar "ein
bisschen undankbar für Sänger, aber vom musikalischen Standpunkt ist
es noch vielfältiger, noch reicher, viel mehr eine Herausforderung als
bei Händel. Ich liebe die Musik von Händel sehr, aber es ist nicht
diese große Herausforderung wie bei Bach."
Weniger zu glänzen vermochte ein anderes
vermeintliches "Highlight": Eine Neuproduktion der Oper, die 1952 beim
ersten Händelfest der DDR auch auf dem Programm mit stand,
Tamerlano, eine vom
3sat-Fernsehen aufgezeichnete Koproduktion mit den Theatern
Champs Élysées in Paris und Sadlers Wells in London. So ausgefeilt musikalisch das im
kleinen Goethe-Theater Bad Lauchstädt mit "The English Concert"
unter Trevor Pinnock
erklang, Regisseur Jonathan Miller erlaubte seinen Sängern nur
ein Konzert in wenn auch sehr prächtigen Kostümen über diesen
grausamen Mongolen-Fürsten Tamerlan oder
auch Amir Temur, der seine Finger hier
streckt bis nach der Türkei und Europa. Mit so manchem Arien-Juwel und
vor allem auch mit mancher instrumentalen Leckerei prunkt diese Oper.
Aber die Sänger waren offensichtlich ausgewählt für größere Räume,
sangen mit viel zu starkem Vibrato. Und
wenn in einer Inszenierung Knien, Sich-Setzen
oder -an-eine-Säule-Lehnen schon optische
Sensationen sind, verliert sich das Interesse schnell.
Unterhaltsamer immerhin die Eigenproduktion des
Hallenser Opernhauses mit der frühen Oper Rodrigo über
einen nicht minder blutrünstigen und sexgierigen Goten-Usurpator in
Spanien, der schließlich von seinen eigenen Lendenschurz-Kriegern
gestürzt wird und reumütig abdankt. Axel Köhler, bekannt vor
allem als Counter, hat das szenisch
arrangiert. Als Regie-Novize im zweiten Versuch gewinnt er dem Stoff
vor allem juxige Züge ab. Vieles ist ungewöhnlich an dieser ersten von
Händel in Italien eigentlich als Hochzeitsoper geschriebenen, zum
Heiraten mit ihrem Wechselbad an bluttriefender Rache nicht gerade
einladenden Oper: Eine überdimensionierte Ouvertüre ziert sie wie ein
besonders ausgedehntes "happy end" oder
auch "lieto fine". Uraufgeführt wohl 1707
in Florenz, ist der Notentext nur unvollständig erhalten. Zu den
Jubiläums-Festspielen jetzt wurde Rodrigo erstmals gespielt in
einer für die neue Händel-Ausgabe aus diversen Quellen rekonstruierten
Fassung. Mit Temperament und Spannung leitete Andreas
Spering am Pult diese Neuproduktion
mit einem Solisten-Ensemble, grundsolide.
In kleineren Gastspielen beleuchtet wurde auch
das zeitliche Umfeld des Händelschen Opernwerks. Hochkarätig der zusammen
mit den Dresdner Musikfestspielen unternommene Versuch von René
Jacobs und Concerto Köln, dem Dresdner Sturm-und-Drang-Komponisten
Johann Gottlieb Naumann neuen Odem einzuhauchen. Seine um 1780
entstandene exotistische Indianeroper Cora
über eine königliche Jungfrau, die gegen ihren Willen zur
Sonnenpriesterin geweiht werden und, als sie sich weigert, samt
ihrer Familie den Opfertod sterben soll, trägt alle Züge von
atavistischem Ritual, religiösem Wahn und Machtmissbrauch, die
dringend eines Aufbäumens im Namen der Vernunft bedürfen. Retter ist
hier ein aufgeklärter Spanier namens Alonzo. Musikalisch angesiedelt
zwischen Gluck und Mozart, vom Sujet her etwas an Mozarts Idomeneo
erinnernd, kann das drei-Stunden-opus freilich nur sehr bedingt
überzeugen, ist insgesamt eher blässlich. Bodenständiger und derber
zugleich ein Intermezzo des Bach-Schülers Johann Friedrich
Agricola aus dem Jahre 1750: Il filosofo convinto in amore.
Die mittlerweile nicht nur Kennern als Geheimtip geläufige
Batzdorfer Hofkapelle hatte es
ausgegraben und mit Verve im historischen Lauchstädter Kursaal
musiziert. Es ist eine typische Geschichte der Zeit um einen
Bücherstaub fressenden Philosophen, den eine junge Frau namens
Lesbina heimsucht, um ihn für sich und die
Liebe zu gewinnen. Inszeniert hat das auf einer Minibühne der
Schauspieler Tom Quaas mit nicht
nur den beiden Protagonisten sondern zusätzlich auch mit einem die
inneren Vorgänge spiegelnden Tänzerpaar. Auf engstem Raum so
kurzweilig wie amüsant.