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Wenn Menschen Menschen fressen

George Benjamins „Written on Skin” an der Deutschen Oper eingetroffen

27.01.2024

Eigentlich ist das eine triviale, wenn auch krude Geschichte. Ein reicher älterer Mann bestellt einen jungen Künstler, ein möglichst schönes Bild seiner jungen Frau zu zeichnen. Die Frau verliebt sich in den jungen Mann. Sie schlafen miteinander. Der Ehemann bekommt’s mit, tötet den jungen Mann. Und das Herz des Liebhabers setzt er seiner Frau zum Essen vor. Als die mitbekommt, was sie gegessen hat, begeht sie Selbstmord.

George Benjamin (* 1960) hat das Sujet nach einem anonymen mittelalterlichen Text aus Okzitanien von Martin Crimp einrichten und etwas modernisieren lassen. Da ist dann schon statt von Troubadour‘scher „Frowenliabe“ auch mal von Porno oder die Zunge in den Mund des Partners/der Partnerin stecken usw. die Rede. Außerdem wird da oft in indirekter Rede gesprochen, „sagte er/sagte sie“ usw. Bemüht Brechtisch.

Uraufgeführt wurde das etwa 90-minütige dreiteilige Werk am 7. Juli 2012 im Grand Théâtre de Provence in Aix-en-Provence und hat zuvor schon einige Station absolviert. Berlin ist ja schon lange nicht mehr erste Wahl. Musikalisch kann man in der Oper durchaus Schönheiten entdecken. Zumal in den lyrischen Partien der Frau, die meist nur „Frau“ heißt, gelegentlich aber auch mit ihrem Namen Agnès angesprochen wird (Georgia Jarman). Ein Glücksgriff auch der Einsatz des Jungen, im Libretto als Erster Engel tituliert, der mit einem Counter besetzt ist (hervorragend: Aryeh Nussbaum Cohen).

Die szenische Einrichtung hat Katie Mitchell besorgt. Sie lässt das wie so oft in einer viergeteilten Bühne spielen (heute sehr beliebt die Aufteilung in kleine Räume, weil mit Raumwechseln weniger szenisch erzählt werden muss, also durch Regiearbeit). Hier sind es zwei Kabinette unten, zwei darüber. Die links in modern nüchternem Verwalterstil, die rechts als mittelalterlich anmutende Kemenaten.

Links ist der Ort der „Engel“, wie sie hier heißen. Sie überwachen die Figuren, besorgen die Arrangements der Szenerie, holen die Figuren zu ihren Auftritten herein und geleiten sie wieder hinaus. Zur Sache geht’s gewöhnlich rechts. Vor allem der Ehemann, Protector genannt (Mark Stone) darf hier weinen und wüten. Oben rechts schlägt gegen Ende das letzte Stündlein des Jungen, Kniefall zum Gebet.

Etwas seltsam kunstgewerblich wirkt dies ganze Arrangement und trotz Krimi-Allüren nicht sonderlich spannend. Warum hat man sich nicht entschieden für eine nachempfunden mittelalterliche Form oder eine rein moderne Übertragung des Sujets? Dass Menschen Menschen fressen, ist leider auch noch eine zeitgenössische Erfahrung. Da muss man nicht ins Mittelalter hinabsteigen und seltsame Verbiegungen absolvieren.

Dem Berliner Publikum scheint’s gleichwohl gefallen zu haben. Sie feierten das Ensemble und das Orchester unter Marc Albrecht, sowie den anwesenden Komponistin und die Regie herzlich.


Maschinentheater versus Emotionalität

Giorgio Battistellis „Il teorema di Pasolini“ – Uraufführung

09.06.2023

Was kann Musiktheater anderes leisten gegenüber einem Film? Unmittelbarkeit, emotionale Nähe der Figuren. Was aber, wenn dies Musiktheater ein distanziertes technisches Maschinentheater mit Figuren ist, die wie in Brechts früher „Mann-ist-Mann“-Periode nur in der dritten Person reden? Und was, wenn der Inhalt etwas darüber erzählen soll, wie eine großbürgerliche Familie, die in erstarrtem Nebeneinander vegetiert, zu neuer Emotionalität und Offenheit der Kommunikation erweckt werden soll? Eine Absurdität.

„Il teorema di Pasolini“ heißt die jüngste Komposition von Giorgio Battistelli (geb. 1953), ein Auftragswerk, uraufgeführt an der Deutschen Oper Berlin. Den Stoff des berühmten Films von Pasolini (1968) hatte sich Battistelli schon früher einmal für Hans Werner Henzes Münchner Musikbiennale auf Henzes Vorschlag hin vorgenommen, damals allerdings nur mit stummen Darstellern. Jetzt dürfen die Mitglieder der vierköpfigen Familie plus Dienstmagd nach ihrer sexuellen Erweckung auch singen. Diese bewirkt ein „Gast“, der nacheinander mit allen (Sohn, Tochter, Vater, Mutter) schläft. Mit letzterer allerdings per Vergewaltigung.

Auf der Bühne sieht man sechs kleine Kästchenzimmer, die als Schauplätze dienen und maschinell hinter einer schwarzen Wand verschiebbar sind. Im zweiten Teil werden die sechs Kästchen kombiniert zu einer großen Fläche mit verflimmernden Rückwand-Mustern. Da sollen dann die inneren Veränderungen sichtbar werden: z.B., dass der Vater seine Fabrik verschenkt und in die Wüste emigriert, der Sohn als Künstler scheitert, die Tochter zum Psycho wird und die Mutter im Fiat-Topolino Sexorgien feiert, während die Angestellte wie der Gekreuzigte gen Himmel auffährt.

Das Leiden Christi war für Pasolini ja auch immer sein Leiden an der Gesellschaft, zumal in den späten 60er Jahren die Befreiung der Sexualität hoch auf der Tagesordnung stand, wenn auch nicht so sehr für die LGBTQ-Abteilung. Da könnte diese Oper heute auch vielleicht was zu sagen haben. Aber in der Inszenierung des Kollektivs Dead Center bleibt dies Teorema bloße Theorie. Auch wenn das Publikum nach den 100 Minuten frenetisch Beifall spendete, eigentlich lässt einen das Bühnengeschehen kalt. Mich jedenfalls. So bewundernswert perfekt es funktioniert.

Zumal auch noch eine künstliche Verwissenschaftlichung eingeführt wird. Figuren in weißen Ganzkörper-Schutzanzügen hantieren am vorderen Bühnenrand mit Computern und Messgeräten, um die Bühnenfiguren zu überprüfen und zu messen. Sinnigerweise sind diese Wissenschaftler*innen die Doubles der Figuren des ersten Teils, die im zweiten Teil diese emotional erweckten Figuren darstellen.

Immerhin kann die Partitur von Battistelli doch einige Schönheiten eines differenzierten Klangs bieten. Für die Textpassagen wählt Battistelli dazu eine Art Melodram-Stil mit oft liegenden Akkorden, der gute Textverständlichkeit ermöglicht und die emotionale Deutung des Geschehens in instrumentale Zwischenspiele verlegt. Unter Daniel Cohen am Pult kommen die Sänger gut zur Geltung (Ángeles Blancas Gulin, Monica Bacelli, Meechot Marrero, Davide Damiani, Andrei Danilov, Nikolay Borchev).

Dass die Bühnentechnik merklich erinnert an die etwas spezielle aber weniger perfekte „Arabella“-Inszenierung früher in dieser Spielzeit, setzt allerdings ein weiteres Fragezeichen. Warum dann nicht gleich einen Film produzieren und den abspielen, statt den teuren Opern-Apparat allabendlich in Gang setzen?


Marktmechanismen

Strauss-Hofmannsthals „Arabella“ in der Version Tobias Kratzer

18.03.2023

Die Arabella-Welt als Puppenstube. Die Bühne zweigeteilt, verschiebbar zwischen Wohn-, Schlafzimmer und Lobby. Wenn in der einen Hälfte gemimt wird, sieht man es oft in der anderen Hälfte schwarz-weiß als Video gedoppelt. Allerdings mit kleiner Zeitverschiebung, sodass der Gesang wie gedoubelt wirkt. Und was da zwei, drei durch die Szene huschende Videograf*innen filmen, hat auch Luft nach oben. Stiefel oder Blumenarrangements sind nicht so furchtbar spannend in Großaufnahme. Es wirkt alles zufällig, privat, nicht eigentlich gestaltet – und mithin sinnlos, störend.

Im zweiten Akt dann der Ball als Teichoskopie – ein dramaturgisches Mittel seit Homers „Ilias“. Nur gehen die Zusammenhänge dabei verloren. Es stürzen immer mal einzelne Figuren oder Paare aus der Tür des Ballsaals und kullern oder tanzen über den Gang oder es kopulieren Männlein, koksen, toben vorbei. Und die SA hat auch noch Dienst. Aber mit der Strauss‘schen Musik hat das nicht so arg viel zu tun, zumal sie nicht als Fernkapelle ertönt, sondern mit voller Wucht und bis zur fast völligen Text-Unverständlichkeit in den Saal donnert. Die Braut wird in einer Art Sackkleid quasi zum Verkauf präpariert (Ausstattung: Rainer Sellmaier). Scherz beiseite.

Im dritten Akt dann mehr Konzentration auf Musik und Stück – eigentlich das Wesen von Musik-Theater. Schon vergessen? Strauss-Hofmannsthals „Arabella“ – entstanden in den späten 1920iger Jahren als letzte gemeinsame Arbeit, uraufgeführt 1933 – ist ein Zwitter, nicht leicht zu inszenieren. Strauss hatte nach dem 1. Weltkrieg alle seine mit dem „Rosenkavalier“ angehäuften Tantiemen verloren, er brauchte wieder einen Renner und suchte dafür ein Sujet im operettigen Genre. Und er wollte es mit einem verschlankten „Ariadne“-Orchester, was er dann wieder „vergaß“. Ironisieren und mit Zitaten sich leicht selbst persiflieren konnte er aus dem ff; und er hoffte, dies Talent hier wieder zu Geld machen zu können.

Um Geld geht’s ja auch zentral in dem im Milieu der 1860iger Jahre angesiedelten Stück. Ein verarmter Graf will seine angeblich einzige Tochter (nur für ihre Ausstattung hat er noch Kröten) an einen reichen Landbesitzer verscherbeln, um weiter seiner Spielsucht zu frönen. Aber man merkt eben auch wieder, dass Strauss sich zwar rühmte, ein Telefonbuch vertonen zu können, aber bei sich war er dabei nicht, sondern dort, worum‘s auch der Arabella im Stück geht: den Menschen zu finden, mit dem sie glücklich sein könnte, wenn auch mit einem antiquierten Frauenbild. Auf der Bühne sieht man davon leider wenig. Die Figuren sind zu unkonturiert, das Ambiente zu fahrig. Und des Regisseurs Tobias Kratzer Faible oder Masche (?), sich durch „Zeitsprünge“ die dafür notwendige psychologischen Gestaltungsarbeit zu schenken, macht’s nicht besser.

Pech bei dieser Premiere, dass die ursprünglich vorgesehene Sängerin der Titelpartie erkrankte. Und auch die als Ersatz engagierte zweite Besetzung musste knapp vor der Premiere krankheitshalber passen. Mit Sara Jakubiak hatte man im dritten Anlauf immerhin eine großartige Sängerin. Darstellerisch konnte sie sich etwas an ihre Stück-Schwester Zdenka klammern. Laut Plot ist diese Zdenka ja ein Zdenko (sehr agil: Elena Tsallagova), damit das mit der Verheiratung der Arabella klappt. Donald Runnicles am Pult hat wieder mal kein Gespür dafür, dass er Sänger*innen begleiten soll, nicht sie dominieren. Dennoch war’s ein leidlicher Erfolg beim Publikum und im Fernsehen wird man’s noch mal nachsehen/-hören können.

Aber war’s solchen Kamera-Auftrieb wert? Man fragt sich ja immer wieder, mit welchem Sachverstand die verantwortlichen Redakteur*innen ihre Auswahl treffen. Weil der Regisseur seit seinem Bayreuther „Tannhäuser“ eine Berühmtheit ist und an der Deutschen Oper Berlin noch zwei weitere späte Strauss-Opern („Intermezzo“ und „Frau ohne Schatten“) inszenieren soll? Marktmechanismen.


Neuer Intendant der Deutschen Oper Berlin ab August 2026: Aviel Cahn

06.02.2022

Der Stiftungsrat der Stiftung Oper in Berlin hat in seiner heutigen Sitzung dem Abschluss des Vertrages mit Herrn Dr. Aviel Cahn als Intendant der Deutschen Oper Berlin ab dem 1. August 2026 zugestimmt. Er tritt damit die Nachfolge von Dietmar Schwarz an, dessen Vertrag im Sommer 2025 endet. Der Stiftungsrat folgt damit einer Empfehlung des vom Vorsitzenden des Stiftungsrates, Senator Dr. Klaus Lederer, eingesetzten Beratungsgremiums. Dem Gremium gehörten Irene Bazinger, Amelie Deuflhard, Sarah Wedl-Wilson, Sir Donald Runnicles, Jossi Wieler und Klaus Lederer an.

Aviel Cahn leitet derzeit als Generaldirektor das Grand Théâtre de Genève. Nach Stationen u.a. beim China National Symphony Orchestra in Peking, an der Finnischen Nationaloper Helsinki und am Stadttheater Bern übernahm er 2009 die Leitung der Opera Vlaanderen Antwerpen/Gent, deren Intendant er bis 2019 war. Aviel Cahn ist Präsident der Europäischen Musiktheater-Akademie mit Sitz in Wien und gastiert als Dozent an der Universität Wien und am Mozarteum Salzburg.

Anmerkung: Bisher hat Cahn vornehmlich in Stagione-Betrieben gearbeitet. Auch an der Deutschschen Oper mit ihrem fetten Repertoire? Und was ist mit der Dpielzeit 2025/26?
Cahn bevorzugt Regisseure, die vom Schauspiel kommen, erhofft sich frischen Wind, einen neuen Blick. Die Idee gab's auch früher schon. Aber Oper ist MUSIK-Theater. Und da kann manches auf der Strecke bleiben.

Kommentar: Bei der sehr kurzfristig angesetzten Vorstellungs-Pressekonferenz konnte ich leider nicht anwesend sein. Wie der Presse zu entnehmen ist, sollen Operndirektor Seuferle und der GMD Runnicles das Haus in der Spielzeit interimistisch führen. Da darf man wohl noch weniger als sonst erwarten, misst man es an dem, was der GMD in der Vergangenheit an Programm-Ideen eingebracht hat.

Was der künftige Intendant laut Tagesspiegel in seinem Statement skizziert hat an Ideen für eine  ortsspezifischer Dramaturgie, Kooperation mit Tanz und Bildender Kunst, Bespielung des ganzen Hauses, ist in der Tat kaum die Büchse der Pandora. Spannende Inszenierungen, die das Welthaltige der Libretti und die Gefühlswelt der Musik zusammenbringen, das wäre, was seit langem fehlt: In der ganzen Stadt mit ihren drei Häusern.

PS 01.09.2023: GMD Runnicles wir nicht bis 2027 am Haus bleiben, sondern seinen Vertrag schon 2026 beenden, sodass ab 2026 eine komplett neue Führung das Haus leitet.


Wunder der Freiheit

Beethovens „Fidelio“ in einer Inszenierung von David Hermann

25.11.2022

Musikalisch bleibt die Produktion um einiges unter den Möglichkeiten des Hauses. Das Dirigat von GMD Donald Runnicles fahrig-grob, die Tempi leicht gehetzt, auf Effekt getrimmt. Die Bläser in der Ouvertüre etwas wacklig. Die Sängerinnen und Sänger meist überforciert intonierend. Zumal Ingela Brimberg als Leonore hat doch merklich Probleme mit dieser hochdramatischen Partie, zu starkes Vibrato, unsaubere Intonation. Der Florestan von Robert Watson eher überfordert mit dieser Partie, zu wenig Sensibilität einbringend. Der Chor der Männer in seinem Freiheits-Chor sehr gut geführt, am Ende aber durch die überschnellen Tempi verwirbelt.

David Hermanns Inszenierung fordert den Sänger*innen (wieder mal) einiges an Kletter- und Balancierkünsten ab, Treppen rauf, Treppen runter, Leitern rauf, Leitern runter, auf einer schmalen halbhohen Mauer balancieren. Ausstatter Johannes Schütz hat ein Gefängnis ohne eigentliches Gefängnis gebaut, ein gleichsam Universalgefängnis der heutigen Welt. Die Gefangenen sitzen anfangs mit steinerner Gesichtsmaske angelehnt an einer Innenhof-Mauer, bis endlich Leonore alias Fidelio dem ersten den Schlüssel zum Entsperren der Fußfesseln reicht. Später wird die Gefängnis-Mauer (!) durchstoßen und die Figuren werfen Schatten auf der rotgoldenen (!) Rückwand des Bühnenraums. Aber die „Gefangenen“ kommen auch wieder ganz friedlich-brav zurück.

Hauptspielort ist eine Art Tisch in diesem Gefängnishof, die Ebene des Gefängniswärters Rocco: Ein sehr bürgerlich-penibler Angestellter fürs Abräumen von Menschen-Müll, aber mit Aufstiegsambitionen für seine Tochter Marzelline. Bewegen kann man sich auf diesem Tisch-Plateau nur hin und her im Viereck. Absicht vielleicht, aber Vorgänge, die etwas erzählen könnten, finden hier nicht statt. So verzichtet die Regie weitgehend auf Spannungsmomente. Für Florestans Untergrundverließ im zweiten Teil ist der ganze Bühnenraum mit einer Plastikfolie ausgelegt. Verschiedene abdeckbare Grabvertiefungen ermöglichen die Gefangennahme (und Ermordung) des Gouverneurs Don Pizarro, eine Zugabe der Regie.

Der zu einem Neuanfang herbeieilende Minister wird nicht gerade als der alleinseligmachender Heilsbringer begrüßt. Die Analogien zum deutsch-deutschen Herbst 1989 sind dezent, aber unübersehbar und wohl auch so gemeint. Dennoch beim Publikum ein Buhsturm am Ende fürs Inszenierungsteam. Allerdings auch manche Bravos. Immerhin hat man durch eine weitgehende Einkürzung der Dialoge eine recht kompakte Version erarbeitet. Erstaunlich, dass die Sänger*innen mit Ausnahme des Pizarro (Jordan Shanahan) bravourös gefeiert wurden. Da wundert man sich doch etwas über die Motive.


Streitbar

Jossi Wielers (plus Team) Versuch mit Wagners
„Die Meistersinger von Nürnberg“

12.Juni 2022

Stühle, Stühle, Stühle – sie sind der Running Gag dieser neuen „Meistersinger“-Inszenierung. Sie werden hin und her geschoben, abtransportiert, neu aufgestellt, gruppiert wie auf einem Schachbrett. Und der, der drauf sitzen soll, hat einfach kein Sitzfleisch, um eine ihm ungewohnte „Meister“-Prüfung zu absolvieren, er will Fun, sein Mädchen küssen, die Kopfgeld-„Prämie“.

Wagners „Meistersinger“ zu inszenieren, bringt an Grenzen. Hat man das Werk zum x-ten Mal gehört und gesehen, merkt man nur zu sehr, wie geschwätzig diese sogenannte Komödie ist. In der geht es zwar auch um Witziges wie der hier exzellent an einem verstimmten Flügel dargebrachte Beckmesser-Preisgesang, bei dessen Dada-Nonsens man auch heute noch lachen kann. Aber mehr doch darum, wie Wagner sich als Kunstproduzent und Staatsbürger sah oder wünschte. Wie er in Gestalt der bürgerlichen Eva Pogner sich König Ludwig II in Gestalt des Rittersmanns Walther von Stolzing als Gefährten fürs Leben wünschte. So wie er auf den Dresdner Barrikaden der 1848/49iger-Revolution als obersten Republikaner sich den König wünschte – ohne „welschen Tand“, also ohne die blutigen Begleitumstände der französischen Revolution.

Jossi Wieler – im Programmzettel mit Bühnenausstatterin Anna Viebrock und Sergio Morabito als gemeinsames Inszenierungsteam genannt – wählt einen modernen Ansatz für seine „Meistersinger“-Inszenierung, was sich wohltuend von dem Biopic-artig-historisierenden Barry Koskys in Bayreuth (2017) unterscheidet. Es ist luftig in dieser Nürnberg-Welt und doch auch eine Käseglocke, aus der man nur schwerlich entkommt. Gespielt wird in einem Konservatorium mit Meister Pogner als Chef und dem Töchterchen Eva als Preisfrau. Nicht nur bei einigen Mit-Meistern ruft deren Auslobung Augenbrauen-Zucken hervor, sondern auch bei den gemischt männlich-weiblichen Konservatoriums-Zöglingen, die da unter Aufsicht des wohl schwulen, vorzugsweise auf einem Bein balancierenden David und der etwas kratzbürstigen Magdalena Hilfsdienste tun. Dass von den Meistern etwa Pogner kein durch Orient-Handel reich gewordener Patrizier ist, enthebt das Team auch Skrupeln, nach dem Grund von deren Reichtum nachzufragen. In der Freien Reichsstadt wüteten die Juden-Pogrome besonders heftig, und wo heute alljährlich (die Pandemie-Jahre ausgenommen) Christkindlesmarkt gefeiert wird, war einst das Juden-Viertel.

Der „Wahn“ dieser Bürger-Kommune, dem Stolzing mitsamt seiner ersungenen Geliebten Eva am Ende unweigerlich enteilt, tobt sich denn auch in einer Art Siegesparty aus. Als Hans Sachs dem entfliehenden Walther hinterherruft, die deutsche Kunst zu wahren, wird er wie nach einem gewonnenen Fußballspiel auf Händen getragen. Und nur noch die Bierdusche fehlt – wobei derzeit die Heroen weder vom „Club“ (sprich 1. FC Nürnberg) noch von „Der Mannschaft“ (Kader Hansi Flick) gerade auf Siegkurs sind. Die Szene ist wohl ironisch gemeint, um die Klippe von Wagners Lobeshymne auf die deutsche Kunst zu umschiffen. Dennoch kein ganz überzeugender Versuch. Die Passage ist bei Wagner ja vor allem ein Sich-Aufbäumen gegen die Konkurrenz etwa von Meyerbeer und sein eigener „Wahn“, als Jahrhundert-Genie nicht genügend anerkannt zu sein.

Weiterer Schwachpunkt: die Prügelszene des zweiten Akts. Die Konservatoriums-Kulissen schieben sich da etwas auseinander. Aber es ist doch wieder eine Indoor-Konzertsituation, aus der heraus sich die widersprüchlichen Meinungen über Beckmessers Ständchen entzünden. Vielleicht ist das ja in diesem fiktiven Bürger-Nürnberg gedacht als Pendant zu manchen Prügelszenen in bestimmten Parlamenten. Überhaupt ist die pseudo-realistische Szenerie von Viebrock aber eher einengend, denn über sich hinausweisend. Die „Schusterstube“des offenbar Schlagzeug-Professors Sachs ist da nur eine Büro-Tür weit weg, und die knall-bunten Plastik-Clogs, die er angeblich geschustert haben soll, ein Not-Gag. Seltsam das aggressive Verhalten Evas gegenüber dem Barfuß-Sachs in der Frage, wen sie mehr liebt, Sachs vorher oder Walther jetzt. Der von seinem nächtlichen Fluchtversuch durch einen Kopfschlag Sachsens mattgesetzte Walther wird von Sachs am Boden vor der schon fürs Preissingen aufgebauten Bühne gelagert wie Brünnhilde auf dem Walküren-Felsen. Dass David und Lene nicht zueinander passen, erkennen sie beim berühmten Quintett. Und beim Aufzug der Zünfte erlebt David Albtraum-artig dieses, sein sexuelles Versagen gegenüber Lene. Die Glock' schlägt da 19:33.

Musikalisch ist das unter Markus Stenz leider nur guter Durchschnitt. Schon das Vorspiel etwas pauschal und ohne die kontrapunktische Feingliedrigkeit, die man sich wünschen würde. Klaus Florian Vogt ist als Walther der unbestrittene Star des Abends, Heidi Stober eine quirlige Eva mit etwas viel Vibrato, Johan Reuter ein grandioser, wenn auch manchmal zu wenig geführter Sachs, Philipp Jekal der zeitweise am Stock taumelnde Beckmesser, Ya-Chung Huang der rumpelstilzchenhaft tanzende David. Sowohl Reuter als auch Vogt hatten gegen Ende aber doch ahnbare Schwierigkeiten ihre mörderischen Partien durchzuhalten. Bei den Chören klaffte es immer mal wieder auseinander. Zumal in der Prügelszene des zweiten Akts, weil wegen der flachen Bühne (eigentlich kann man sie anschrägen!) wohl kein genügend guter Sichtkontakt zum Dirigenten bestand.

Schon nach dem ersten Akt entbrannte im Publikum ein Wettstreit zwischen Bravos und Buhs. Am Ende noch mehr sowohl gegen den Dirigenten wie das gesamte Inszenierungsteam. Immerhin haben das Haus und die Stadt mal wieder eine Premiere, über die man trefflich streiten kann…


Distanziert

Franz Schrekers „Der Schatzgräber“ (1920) ausgegraben

Premiere: 01.Mai 2022, besuchte (zweite) Vorstellung 06.05.2022

Els träumt. Oder ist es Elsa, die Errettung von einem Ritter Lohengrin erhofft, oder Elster, die gern blinkende Klunker sammelt – zum Beispiel die der Königin, die ob des gestohlenen Blinkschmucks leidet?

Das Libretto zu Franz Schrekers Oper „Der Schatzgräber“ hat der Komponist wie alle seine anderen Bühnenwerke selbst gedichtet à la Richard Wagner. Es soll basieren auf einem privaten Erlebnis in den düsteren Zeiten während des Ersten Weltkriegs, als man vom Ende der Entbehrungen und auch dem Untergang der Aristokratie träumte. Allerdings hätte der Komponist sich doch besser der korrigierenden Hand eines Dichters vertrauen sollen, um allzu viele Plagiate und Klischees und Längen zu vermeiden. Musikalisch gibt es schon deren genug von Wagner bis Debussy und Puccini. 1920, als die Oper uraufgeführt wurde, war sie ein Renner. Danach war sie so gut wie vergessen.

Die Deutsche Oper Berlin hat sie in einer Inszenierung von Christof Loy jetzt wieder ausgegraben. Nicht unbedingt ein Schatz. Die früheren Opern Schrekers „Der ferne Klang“ und „Die Gezeichneten“ waren da andere Kaliber. Loy lässt sie spielen in einem Einheitsbühnenbild von Johannes Leiacker, wie so oft ein eckiger Raum der Jahrhundertwende, ganz in Schwarz, wie ein Grab. Denn am Ende stirbt diese Els dort, alt und krank, in den Armen ihres einstigen Geliebten, einem fahrenden Sänger, Elis, der die Gabe hatte, mit seinem Gesang zur Laute Schätze zu finden. Und an der Seite eines Narren, der sie als Trophäe zur Frau bekam vom König.

Statt in aussagestarke Vorgänge konzentriert sich Loy in seiner Inszenierung mehr auf das Umfeld. Besonders ausgiebig auf die Partys mit sexbesessenen Statisten oder die stumm vor sich hin kränkelnde Königin, die sich lasziv auf einem langen Tisch und in diversen Männerarmen wälzen darf. Über eine differenzierte Beleuchtung hat man sich wenig Gedanken gemacht. Ein bisschen mehr bei den Kostümen, Barbara Drosihn, die die Els bei ihrer Verwandlung von der ihre vom Vater verordneten Freier umbringen lassenden femme fatale zur abgöttisch liebenden Träumerin äußerlich unterstützt. Aber auch musikalisch ist die Lautstärke, zumal im ersten Teil der eher dialogischen Partitur, auf Forte-Fortissimo abgestellt, was dazu führt, dass gegen Ende des zweiten Teils in der von mir besuchten zweiten Vorstellung ein Sänger ausfällt und der Dirigent, Marc Albrecht, stützend aus dem Graben eingreifen muss.

Uneingeschränkt zu rühmen das Sänger-Spitzentrio mit Daniel Johansson (Elis), Elisabet Strid (Els), Michael Laurenz (Der Narr), die ihre mörderischen Partien großartig singen, wenn auch mit wenig Chancen zur Differenzierung und auch wenn sie dabei manchmal Mühe haben, über den dicken Orchesterpanzer herüberzukommen. Solch retrograde Sujets, wie dieses märchenhafte, befriedigten – siehe Richards Strauss‘ „Arabella“ nach dem WK I – gewiss ein Bedürfnis. Und immerhin ist die Hauptperson, Els, nicht nur eine schwärmerisch Liebende, sondern auch eine banale Kriminelle. Aber Schrekers eigene weitere Biografie, die unterschiedlichen Wege von Kurt Weill und Arnold Schönberg in den späteren 1920-iger Jahren zeigen, dass dieser Weg ausgeschritten war. Und Schreker (1878-1934) selbst hatte mit dem "Schatzgräber“ seinen letzten großen Erfolg.

Schön, dieses Werk einmal kennengelernt zu haben. Nachhaltiger Erfolg kann ihm und in dieser eher distanzierten Inszenierung kaum beschieden sein.


Illustrativ

Marina Abramović mit ihren „7 Deaths of Maria Callas“ zum Gaststerben

08.04.2022

Ähneln einer großen Diva, sich innerlich verwandt fühlen dieser großen, wirklichen Diva. Genügt das für einen solchen Abend?
nennt die Performerin Marina Abramović ihren Abend mit von Maria Callas einst überragend gesungenen Sterbe-Arien aus vor allem italienischen Opern: Violetta, Tosca, Desdemona, Cio-Cio-San, Carmen, Lucia – und schließlich Norma sind die Marterln-Stationen. Tode seien interessanter als Lachen und Fröhlichsein, begründet Abramović ihre Auswahl.

Sie selbst liegt bei der gut 100-minütigen Performance auf der Bühne als Schein-Tote im Bett, während hinten auf der Bühnenwand Videos flimmern mit ihr als Darstellerin und davor junge Sängerinnen in schlichten Hausgehilfinnen-Kostümen die Arien intonieren. Höhepunkt ist der Feuertod der Casta Diva zu ihrer berühmten Bellini-Arie.

Nach einer längeren Umbaupause wird man ins Interieur jenes Zimmers in Paris geleitet, in dem die wirkliche Callas gestorben ist. Dort sieht man Abramović zuerst wieder in einem pompösen Bett ruhen. Mit Selbstermächtigungs-Übungen steht sie schließlich auf, öffnet das große Fenster, dann die große Tür und verschwindet in die andere Welt. Die Sopranistinnen der Arien treten nun als Reinemachkommando auf.

Schlussapplaus bei "7 Deaths..."

Der Vorhang fällt und von der Seite kommt Abramović nun in einem goldglitzernden Casta-Diva-Kostüm. Endlich hört man die die Stimme der echten Callas. Und die schlichte Konserve ist so unvergleichlich erhabener als alles, was man zuvor live gehört hat, und versöhnt dann doch etwas mit dem nicht so sehr erhebenden Abend. Zumal die Filmchen, die Abramović sich ausgedacht hat (mit vielen Nahaufnahmen ihres Gesichts), mehr Illustrativ-Oberflächliches als Erhellendes zu den jeweiligen Opernfiguren vermitteln.

Viel Bohei um diesen Abend, der Corona-bedingt mit zweijähriger Verspätung von München nach Berlin an die Deutsche Oper transferiert wurde. Aber eher eine Enttäuschung mit Selbstbeweihräucherungs-Tendenz. Immerhin gab's am Ende noch einen Spendenaufruf für die Ukraine.

Foto © gfk


Ausrufungszeichen – ?

„Der Antikrist“ von Rued Langgard

30. Januar 2022, gesehen: 2.Vorstellung am 06.02.2022

Eine Zumutung ist dieses Stück. Der Text, die Musik, die Inszenierung. „Antikrist“ von Rued Langgard entstand in den wirren Jahren der geistigen Orientierungslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg, dem Zusammenbruch der alten Ordnung. Der Komponist Langgard (1893-1952) suchte Orientierung für sich. Er schrieb seine Oper 1921-23, eher ein Oratorium, arbeitete sie um in den Jahren 1926-1930. Es ist ein Pamphlet, das die Welt beschreibt als verkommen. Es beschwört einen Luzifer herauf, der durch seinen Widerspruch die alte christlich-klerikal-feudale Ordnung wieder herstellen soll. Gezeigt wird das an diversen Figuren, die wie Sprechblasen ihre aus der Bibel entlehnten Texte abschnurren.

Langgard untermalt das mit einer Musik der erweiterten Funktionsharmonik, die durchaus eigene Facetten entwickelt, aber oft auch ins Kitschige abgleitet. Mit Trompeten-Tönen etwa wird da die alt-neue Ordnung evoziert. Und auch wenn man der Entwicklung der neuen Musik nach Schönberg heute mit manche Skepsis begegnen kann, ist man doch froh, dass es einen Schönberg und seinen radikalen Umbruch gegeben hat. Langgard hat zu seiner Zeit diesen Umbruch verschlafen oder nicht beachtet oder verdrängt. In seinen späteren Jahren allerdings hat er doch auch Musik geschrieben, die darauf zu antworten sucht und die ein György Ligeti schätzte.

Ein Theaterabend würde aus dieser Partitur vielleicht, wenn der Regisseur Ersan Mondtag einen Zugang zu diesem Stoff und zu dieser Musik gefunden hätte. Das war offenbar nicht der Fall. Mondtag ist auch mehr ein Bebilderer, denn ein Regisseur. Allerdings mit wenig Sensibilität für Musik. Von Figurenzeichnung oder Entwicklung theatralischer Vorgänge weiß oder hält er wenig. Stattdessen darf eine Tanztruppe (Choreografie: Rob Fordeyn), mal in Oskar-Schlemmer-Hosen, mal in auf Schlangenlinien (!) getrimmten Ganzkörper-Kostümen (ebenfalls Mondtag) die Leere der Bühne mit nichtssagendem Dauerschleifen-Gewimmel füllen.

Zwar wird mit Mondtags ebenfalls selbst kreiertem Bühnenbild aus grob gemalten, perspektivischen Prospekten die Zeit des Expressionismus angedeutet, die handelnden Figuren allerdings markieren nur mehr oder weniger ihre Auftritte und liefern an der Rampe ihre Gesangs-Partien ab. Immer wieder wird eine überdimensionale nackte Männerfigur mit Vulva als Geschlechtsmerkmal aus dem Bühnenhimmel herabgelassen und wieder geliftet. Sozusagen als Jesus-Ausrufungszeichen ohne tiefere Bedeutung. Andere Figuren erscheinen mit wabbeligem oder auf Horror gebürstetem Plastik-Outfit. Hässlichkeit ist Trumpf. Eine Art Liebespaar gibt es auch. Und der Mann darf immerhin zeigen, dass er ein Mann ist.

Die von mir besuchte zweite Vorstellung wurde geleitet Hermann Bäumer als Last-minute-Einspringer. Stephan Zilias, der die Oper mit einstudiert hatte, war verhindert. Musikalisch brachte Bäumer den Abend grandios über die Hürden. Herausragend AJ Glueckert als „Das Tier“ und Flurina Stucki als „Die große Hure“. Am Schluss dieses etwa 100-minütigen Abends erstaunlich einhelliger Jubel beim Publikum im coronabedingt halbvoll aber arg dicht besetzten Haus. Der recht schwache Eindruck, den das Stück insgesamt hinterlässt, mag mit der coronabedingten Verschiebung der Premiere und jetzt Wiedereinstudierung zusammenhängen. So recht begreift man dennoch nicht, was – außer vielleicht eine historische Fußnote – dies Werk heute noch geben kann.


Nachhilfe in Mythenkunde

Stefan Herheims nachgereichtes „Rheingold“

Premiere: 12.06.2021, gesehen: zweite Vorstellung am 16.06.2021

Einige Possierlichkeiten der „Walküre“ versteht man nun besser mit dem nachgereichten „Rheingold“. Viel Glück hatte die Deutsche Oper bisher nicht mit ihrem neuen „Ring“ in Corona-Zeiten. Im Herbst soll er zwar vollendet werden. Aber ob das der große Wurf wird? Immerhin die in den Kulissen mehr und mehr zerfledderte frühere Tunnel-Wagner-Tetralogie in Götz Friedrichs grober Handschrift ist gottseidank verdämmert. Ikonisch bleiben für mich nach wie vor der Leipziger „Ring“ von Joachim Herz, der Bayreuther von Patrice Chéreau und vor allem der Frankfurter von Ruth Berghaus. Unerreicht.

Stefan Herheim, zuständig für den neuen DOB-„Ring“ versucht das Werk aus der Musik heraus zu erzählen. Gleich beim „Rheingold“ macht er die Setzung: ein einsamer Flügel steht auf der Bühne zu Beginn. Wanderer bevölkern ihn mit Koffern. Einer der Kofferträger schlägt das tiefe Es an, und die Musik im Orchester setzt ein. Wenn Wagner die Wellenbewegung des Rheins musikalisch imaginiert, imitieren die Menschen auf der Bühne die Wellenbewegung. Die Beleuchtung untermalt sie. Die Rheintöchter positionieren oder prostituieren (?) sich auf dem Souffleurkasten – wie man später erfährt, das Heim der allwissend das Ende voraussagenden Erda. Es folgt allgemeines Feinripp-Kopulieren. Links hat sich ein untersetzter Mensch zum Clown geschminkt: Alberich – kommt wohl von albern statt von weiß, der bei den Mädels einfach nicht ankommt. So entsagt er der Liebe und stürzt sich in die Liebe zur Macht des Goldes, wenn‘s auch nicht lange glückt.

Nächstes markantes Bild – nach der etwas trutschigen Götterszenerie mit Freia als Goldäpfel-nährende gleichsam Ur-Mutter – der Auftritt des Nibelungen-Heers. Bei Herheim ist das eine stampfende SS-Horde, die die gleichen Stahlhelme trägt wie Alberich sich seinen Tarnhelm hat schmieden lassen von Bruder Mime. Der kommt mit bordeauxrot-samtenem Wagner-Käppi und Auschwitz-gestreiftem Hemd auf die Bühne als „Sklave“ Alberichs. Eine wohl etwas verunglückte Zuschreibung. Dass er daran gehindert wird, den rechten Arm zum H-Gruß zu heben, geschenkt. Wie Alberich sich per Tarn-Stahlhelm „vergrößern“ kann, zeigt er exhibitionistisch. Dafür wird ihm beim Raub des in den allpräsenten Koffern transportierten Goldes durch Wotan auch gleich mitsamt dem Ring der Finger abgehackt. Aha, Kastration. Feuergott Loge kommt hier als Mischung aus Batman und Gründgens-Mephisto.

Viel arbeitet Herheim als (mit Silke Bauer) auch sein eigener Bühnenbildner mit Tüchern. Die werden an Seilen mal zu Gebirgen, mal zu Nibelheim, mal zur Brücke nach Walhall hochgezogen. Das ermöglicht zwar schnelle Übergänge, hinterlässt aber kaum einen tieferen Eindruck. Der Flügel dient auch als Fahrstuhl in die Geschichts-Unterwelt, die Herheim hier gern miterzählen möchte. So flackert die Inszenierung hin und her, ein bisschen wie Schule, ein bisschen wie Puppen-Bastelstunde.

Immerhin musikalisch hat die Aufführung einige Meriten. Donald Runnicles hält das (wegen Corona verkleinerte?) Orchester so schlank im Graben, dass man die Sänger*innen auch textlich gut versteht – was man bei ihm sonst nicht so oft erlebt. Am beeindruckendsten Max Brück in seiner Wandlungsfähigkeit als gelackmeierter Alberich, Jacquelyn Stucker als glockenhelle Freia, Thomas Blondelle als quicker Loge. Derek Welton als Wotan hat anfangs etwas Schwierigkeiten, sich zu positionieren. Am Ende des „Rheingold“ verschwindet er zu Erda in den Souffleurkasten. Braucht er etwa Nachhilfe in Mythenkunde? Nicht alles steht ja in den Noten, die er immer wieder zu Rate zieht und mit deren Hilfe er sich auch distanzieren kann von dem, was er da singen und spielen soll. Oder hat er körperlich noch was nachzuholen, weil die Götterschar am Aussterben ist?


 

Corona-bedingt flach

Riccardo Zandonais „Francesca da Rimini” – ein Versuch mit Christof Loy

14.03.2021

Viel aufgeregtes oder stoisch-würdiges Hin- und Her-Gerenne oder -Gelaufe. Schlachten-Getümmel mit viel rotem Theaterblut und -Rauch. Grimmig-outriertes Blicken. Liebesszenen, die nicht vom Fleck kommen. Eine Rosenüberreichung zur Brautwerbung à la „Rosenkavalier“ aber genau andersherum – das ist die vielleicht noch witzigste Idee. Und das zu einer Musik mit einem starken Parfum, etwas schwül oder auch melodramatisch à la Puccini.

„Francesca da Rimini“ behandelt ein Sujet aus Dantes „Divina commedia“. Stark verkürzt: Einer reichen Braut soll ein etwas missgestalteter Freier zugeführt werden, schmackhaft gemacht durch dessen äußerst wohlgestalteten Bruder Paolo. Der und ein weiterer Bruder verlieben sich in die Frau. Am Ende erleiden Paolo und Francesca den Liebestod.

Riccardo Zandonai, ein damals hochgefeierter Puccini-Schüler, schrieb diese Oper nach einem Libretto von Gabriele d’Annunzio. Die 1914 uraufgeführte und dann viel nachgespielte Rarität sollte in der Inszenierung von Christof Loy und in der Ausstattung von Johannes Leiacker (Bühne) und Klaus Bruns (Kostüme) ein besonderes Highlight der Saison werden. Die Corona-bedingt flach gehaltene Einheits-Bühne mit nur gelegentlicher Ausweitung in einen Wintergarten dahinter erlaubt indes keine wirklich dramatische Auffächerung des Geschehens in die Tiefe.

So wirkt alles ein bisschen gestellt. Die Anspielungen an Wagners „Tristan und Isolde“ oder auch Strauss‘ „Rosenkavalier“ kommen eher platt daher. Großartig aber das Liebespaar Francesca (Sara Jakubiak) und Paolo (Jonathan Tetelman). Carlo Rizzi am Pult müht sich, der oft arg dick instrumentierten Partitur Stringenz zu verleihen – soweit man das mittels der Computerlautsprecher beurteilen kann. Denn erst nur via Internet fand die Premiere statt. Weiter abrufbar ist der stream auf www.takt1.de .

Ein erster Live-Aufführungs-Versuch mit strengen Hygiene-Regeln ist auch noch in dieser Saison vorgesehen (04.04.21, storniert wegen Oster-Shgutdownh). Vielleicht wirkt dann dies art-Deco-Werk eindrücklicher. Dass es sich allerdings neben den Meisterwerken der Zeit von Strauss und Puccini nicht behaupten konnte, ist auch kaum verwunderlich.


Auf der Fluch

Stefan Herheim mit seinem neuen „Ring“-Projekt: „Walküre“

27.09.2020

Dt.Oper in der 1.PauseDer „Vorabend“ zum neuen „Ring“ der Deutschen Oper Berlin konnte Corona-bedingt nur auf dem Parkdeck in Kurzform stattfinden, eingerichtet von einem Assistenten. Ich hab‘ ihn mir geschenkt. Beim „Ersten Tag“ des Wagnerschen „Ring“-Bühnenfestspiels bangte man bis zuletzt, ob und wie das gelingen könnte. Immerhin für knapp die Hälfte der Platzkapazität des Hauses an der Bismarckstraße durfte sie dann stattfinden, die Premiere der „Walküre“.

Regisseur Stefan Herheim, in Zeitdruck wegen seiner kommenden Aufgabe als Intendant des „Theaters an der Wien“, liebt es gern faustdick-didaktisch. Als Motto des „Rings“ setzt er Flucht und Vertreibung. Aber war das nicht schon bei Götz Friedrichs abgeblättertem Tunnel-„Ring“ so oder so ähnlich? Für dem 1.Akt der „Walküre“ lässt Herheim sich (als leider wieder sein eigener Bühnenbildner oder -Inspirator für Silke Bauer) einen halbrunden Raum aus Koffern bauen, Böcklin-Chereaus „Toteninsel“ imitierend. Der stürzt dann ein, verflüssigt sich gleichsam zum Mittelmeer, wenn das Wälsungen-Paar einander „erkennt“. Als Vollzugort der Vereinigung dient sinnigerweise der Flügel, der mitten auf der Bühne steht. Eingebaut darin eine Hebebühne als Podest für Auftritte, und der Flügel imaginiert auch den Fuß der Weltesche mit dem Schwert Nothung im Schaft.

Zur Didaktik gehört, dass bei besonderen Höhepunkten auf der (stummen) Klaviatur gespielt wird, mal von Sieglinde, mal von Wotan. Oder der ganze Flügel „fliegt“ in die Höhe. Wotan springt am Beginn des zweiten Akts (laut nur online lesbarem Programmheft von der flüsterleisen Erda kommend) halbnackt aus dem Souffleurkasten. Die Walküren-Partitur hat er unterm Arm. Aber wenn Wotans Pläne zerstieben, weil Gattin Fricka seine Lügen und Tricksereien durchschaut, zerfleddern die Noten mehr und mehr. Auch die Walküren im 3.Akt versuchen sich noch ans Geschriebene zu halten. Doch da ist fast nichts mehr übrig vom Plan, weil Wunschmaid Brünnhilde ebenfalls sich nicht an die gegebenen Eide hält, auch wenn sie damit Wotans eigentlichen Wünschen zupass kommt.

Leider wirkt das alles wenig inspirierend in diesem etwas papp-koffer-ledernem Realismus. Brünnhilde wie anno dunnemals mit Hojotoho-Helm und Brünne auf die Bühne hochzufahren (Kostüme: Uta Heiseke), die toten Walhall-Helden in ihren blutbeschmierten Hemdchen und Höschen die Walküren vergewaltigen zu lassen und als Schluss-„Höhepunkt“ einen Mini-Richard-Wagner als Geburtshelfer aus Sieglindes Körper ein Siegfried-Baby herauszerren zu lassen ist vielleicht witzig gemeint aber vor allem reichlich abgeschmackt. Wie auch die klischeehaft unmotivierten Saal-Licht-an-Aha-Effekte.

Dazu schwänzelt im 1.Akt ein gnomartiges Wesen (laut Programmheft ein hinzugedichteter, behindert wirkender und dramaturgisch unplausibler Sohn Sieglindes und Hundings) ständig im Dreigespann Siegmund-Sieglinde-Hunding zwischen den Fronten. Soll er vielleicht von Sieglindes Fehltritt beim Inzest entlasten oder dem Publikum zeigen, was jetzt „wichtig“ ist, wie auch in den beiden Folge-Akten die (aus dem nicht gesehenen „Rheingold“ weiter-migrierten) Koffer-tragenden Flüchtlinge? Und die Koffer dann noch als „cloud“ wie einen Heiligenschein über Brünnhildes-Flügel-Walküren-Felsen aufsteigen zu lassen mit rot-gelb-lodernden Tuch-Flammen (der Effekt im 1.Akt mit der Weltesche war ja noch ganz hübsch) – na ja.

Immerhin musikalisch kann sich diese „Walküre“ hören lassen. Ein exzellentes Solisten-Ensemble mit etwa Nina Stemma als eigensinniger Brünnhilde, Lise Davidsen als höhenstrahlender Sieglinde, Brandon Jovanovich als ruppigem Siegmund, Andrew Harris als schießfreudigem Hunding und John Lundgren als Halbgott Wotan in Weiß macht Freude. Donald Runnicles gelingt mit dem Orchester der Deutschen Oper ein meist durchsichtiger Klang, der den gelegentlich schon angestrengt wirkenden Solisten auch immer wieder Piano-Töne erlaubt. Am Ende dennoch ein Buhkonzert – allerdings fürs Inszenierungsteam. Und wie geht's nun weiter?

Man fragt sich schon, warum Herheim für das Projekt gebeten wurde. Seine Berliner Inszenierungen der letzten Jahre in Berlin, ein Plastik-Tüten-„Lohengrin“ in der Staatsoper, ein verunglückter „Blaubart“ und ein Kulissenschiebe-„Xerxes“ in der Komischen Oper – sie haben nicht gerade berauschende Erinnerungen hinterlassen. Namen einkaufen ist Mode im heutigen Betrieb. Qualität, Fantasie suchen und finden wäre besser.


Glissandierend

Uraufführung „Heart Chamber“
von Chaya Czernowin

15. Nov. 2019

Ah, das also ist Liebe – jedenfalls eine à la Chaya Czernowin. Irgendwie gefriergetrocknet, verödet. Hat die aus Israel stammende, in den USA lebende Komponistin (Jahrgang 1957) in ihren früheren Werken fürs Musiktheater hauptsächlich sich um politische Themen gekümmert – die Weltkriege, das Verhältnis Israeli/Palästinenser –, wollte sie nun etwas über das Innerste schreiben. Nach eigenem Libretto. Das was zwischen zwei Menschen passiert, passieren kann, Männlein-Weiblein oder auch anders. Und das auf großer Bühne, wo sonst Tristan und Isolde und andere an ihren Gefühlen zugrunde gehen. Und auch mit einem Überangebot an musikalischen Mitteln. Der Orchestergraben für „Heart Chamber“ ist prall gefüllt. Weitere Musiker sitzen in Kabinen auf den Zugangsstegen und in den vorderen Logen des Zuschauerraums. Dazu Elektronik, gesteuert von der Mitte des Parketts aus.

Es beginnt ganz im Dunkeln mit einem etwas zu ausführlichen Kontrabass-Solo. Dann gehen plötzlich die Lichter auf der Bühne an, und man sieht – einige Meter voneinander getrennt – eine Frau und einen Mann kurz vorm Eintauchen in den Silbersee. Mit Punktscheinwerfern ausgeleuchtet sitzen sie reglos in einem Sessel. Das musikalische Umfeld belebt sich peu à peu. Die beiden Figuren mit auch ihren jüngeren Schattenfiguren beginnen Laute von sich zu geben, meist glissandierende oder auch nur einfach gesprochene: Englisch, wird zeitgleich deutsch übertitelt. Man kann die Texte auch im Programmheft vor- bzw. nachlesen. Gestammel, selten ein zusammenhängender Satz. So geht Liebe.

Auf der Bühne von Christian Schmidt lässt Regisseur Claus Guth immer mal auch wieder andere Menschen stehen, schreiten, Treppen steigen oder Gegenstände von der Treppe auflesen. Möglichst gedankensparend in Zeitlupe. Fast im Minutentakt rotiert dafür die Drehbühne. Auf den großen Flächen der einen Seite werden Videos projiziert. Sie zeigen die Protagonisten beim Betreten kreideweißer Innenräume oder beim Flanieren durch Geschäftsstraßen. Auch die Rückseite der Bühne, ein modernes Wohnhaus mit großer Freitreppe davor, wird mit Projektionen bestrahlt. Die schönste kommt gegen Ende: ein Bienenschwarm – emsig also und im Schwarm geht’s zu in der Liebe. Zwischendurch werden auch mal die Arbeitsplätze gezeigt: Frau links - Küche, Mann rechts - Büro.

Regisseur Guth will aus den Textbrocken gleichsam eine Geschichte formen. Spannung zur Musik entsteht nicht. Der Höhepunkt immerhin ist, dass die beiden Hauptfiguren am Ende auf einem Teppich von Rosenblättern oder Ähnlichem sich einander auf Knien ihre Liebe gestehen. Black. Johannes Kalitzke am Pult im Graben hat das Ganze gut im Griff. Und der Apparat ist kompliziert genug. Patrizia Ciofi als Sie (mit Gedankenstimme Noa Frenkel) und Dietrich Henschel als Er (mit Gedankenstimme Terry Wey) werden vor allem stimmlich gefordert, szenisch kaum. Am Ende (nach 90‘) gibt’s wie von Geisterhand gesteuert stürmische Bravi, für das Regieteam aber auch ein vereinzeltes aber kräftiges Buh.

Dass die Deutsche Oper in jeder Spielzeit eine Uraufführung präsentiert, ist mehr als löblich. Tröstlich: auch dem legendären Rolf Liebermann ist in den insgesamt rund zwanzig Jahren damals als Intendant der Hamburgischen Staatsoper kaum mehr als eine Uraufführung geglückt, an die man sich heute noch erinnert. Czernowins „Heart Chamber“-Libretto trägt übrigens eine Widmung: Steven Kazuo Takasugi.


Dramaturgen-Theaterei

Frank Castorf verhebt sich an Verdis „La forza del destino“

08. Sept. 2019

Ein triumphaler Auftakt sollte das wohl werden: Frank Castorf an der Deutschen Oper und er inszeniert Verdis „La forza del destino”. Aber hat er eigentlich was inszeniert? Diese Video-Show von Inserts, die nur sehr weit hergeholt was mit der Oper zu tun haben? Gleich zur – exzellent vom Orchester gespielten und feinfühlig von Jordi Benàcer dirigierten Ouvertüre – bekommt man die Runen des faschistischen Europas vorgeführt mit einem grob konturierten Caudillo Generalissimo Franco-Plakat auf der Tribüne über einem Unterstand zu Gesicht. Dazu hält ein älterer Mann, es soll wohl Leonoras Vater sein, nicht hörbare aber per Live Video-Kamera übertragene und nicht nur von den Lippen ablesbare Reden. Derweil die Tochter sich dem Unterstand nähert usw.

Irgendwann wird die oben links im Portal hängende, ausrollbare Leinwand wieder eingerollt. Und nun könnte was auf der Bühne passieren. Es passiert aber nichts. Ist langweiliges konventionelles Rampen-Stehtheater. Immer mal wieder tauchen Figuren auf, die mit irgendwas beschäftigt sind. Eine Stewardess-artig bekleidete junge Frau, die irgendwas – wohl Austern, von deren Zubereitung zu einer Suppe mal die Rede ist – in sich hineinschlozt und die Abfälle fallen lässt. Oder eine Truppe von Freischärlern wohl mit einem nur mit einer Blitzer-Boa- plus Tanga-geschmückten Transen-Indio. Der soll an die Herkunft des Leonora-Geliebten Don Alvaro aus dem Spanien-eroberten Südamerika erinnern.

Der Indio ist dann die eigentliche oder sogar einzige Figur, auf die Regisseur – oder sollte man lieber sagen Arrangeur – Castorf sein Augenmerk richtet. Per live-Video und on-Live darf man ihn bewundern – damit nur irgendwas passiert. Auch ein bisschen Homoerotik bzw. #MeToo ist dabei. Etwa vor der Fassade einer Kirche mit Mönchen, die im Hintergrund ihre Runden ziehen oder sich ganz brav zum Chor auf der Treppe vor dem Portal postieren. Zuvor schon musste er sich die Aufmerksamkeit allerdings teilen mit irgendwelchen Guerilleros, die – ebenfalls per Live-Video vergrößert – sich verkloppen oder nach Waffen und Sprengstoff in Kisten buddeln. Naja und so weiter.

Frank Castorf war mal ein toller Regisseur. Leider ist das schon viele Jahre her. Seine Belesenheit hat sich seither stark erweitert, wie er in einem Programmheft-Interview glaubhaft macht. Das ergäbe einen guten Dramaturgen. Auf der Bühne, dem Arbeitsfeld eigentlich eines Regisseurs, sieht man davon nichts. Theater sind nicht irgendwelche Faxen, sondern Vorgänge, die den Zuschauer selbst zum Nachdenken anregen. Hier wird nur der große Trichter aufgepflanzt und gefüttert. Durch den aber kommt beim Zuschauen nichts an außer Störelementen. Die aber reichlich. Heiße Luft, aufgebläht zu über drei Stunden.

Schon zur Pause gibt es zarte Buhs, die sich dann zur „Schlacht des Schicksals“ für den einstigen Volksbühnen-Star ausweiten. Auch 1982 bei Hans Neuenfels‘ Inszenierung dieser Oper gab’s ein höchst bewegtes Publikums-Echo. Da allerdings ging’s um was, inhaltlich. Hier fremdschämt man sich nur um den Aufwand bei dieser bräsig-selbstverliebten Dramaturgen-Theaterei.