Man gönnt sich ja sonst nichts. Osmin jedenfalls gönnt sich noch eine
kleine Fellatio. Dann schlitzt er dem unter ihm strampelnden Mädchen
die Haut auf. Zuletzt befreit mich noch die Tür, denken sich schon
welche im Publikum und gehen. Aber Pause ist nicht. Die Martern aller
Arten möchten ja doch nicht vor leeren Parkettreihen genossen werden.
Und die Leute wollen was haben, woran sie sich entrüsten können. Tun
sie auch.
Der
Serail als Puff – darauf musste erst mal einer kommen. Die Synapsen
des „Skandal“-Regisseurs Calixto Bieito und seiner Dramaturgie klicken
zuverlässig. Gern hebt der Katalane die Gediegenheit seiner
jesuitischen Erziehung hervor. So sehen wir zum Vorspiel eine
Trapezkünstlerin sich schwingen im pink ausgeleuchteten Raum mit den
Glasvitrinen, in denen die (echt professionellen) Damen auf Kunden
warten. Puffwächter Osmin mimt Fangen mit einer seiner Gespielinnen.
Die Hosen fallen, das Duschwasser rinnt, die Körper werden
hingebungsvoll gecremt. Im Proszenium läuft ein Endlosfilmchen mit
einer sich schminkenden Frau.
Wie langweilig nackte Körper sein können! Zumal wenn sie zwischendurch
Mozart-Arien zu singen oder zu hören haben. Puff-Boss Bassa muss nicht
singen. Der Pascha holt sich bei einer der Damen auch so mal einen
runter. Konstanze hält er am Halsband im Käfig. Es ekelt sie alles. Und
dann kommt es doch noch mal zu so was wie einer Berührung. Erst sitzt
sie als Hundchen mit ihm auf dem Sofa, er döst besoffen neben ihr. Dann
hebt sie doch das Bein und gestattet ihm und sich einen Kuss. Später
gibt sie den ihrer Leidensschwester Blonde weiter.
Belmonte, ihr Macker – der Diener Pedrillo, der sich als Toilettenputze nützlich macht und dafür sich von Osmin ins Bein (nein!) schießen lässt, staffiert ihn aus als Transvestit in Schwarz mit Stulpenstiefeln. Er wird der Gigolo der nächsten Generation, nachdem sie beim Befreiungsversuch (fast) alles kurz und klein geballert haben. Leichen heben das Geschäft. Der zunächst heil davon gekommene Bassa-Pascha wirft sich in Schale. Jetzt geht’s ums Ganze, orakelt er Klartext in seinem sonst gestelzten Libretto-Deutsch und bindet Konstanze frei. Die drückt auf ihn ab und zuletzt auch auf sich selbst. Keine Läuterung, kein Erbarmen. Nur eine neue Leitung.
Staunenswert an dem Abend ist lediglich, wie Kyrill Petrenko sich behaupten kann am Pult, wie er die Mozartsche Musik dieses „Singspiels“ Entführung aus dem Serail feingliedrig und mit erlesener Delikatesse ungemein frisch aus dem Graben strahlen lässt. Die sängerischen Leistungen auf der Bühne sind mit Ausnahme des Belmonte von Finnur Bjarnason dagegen bloßes Mittelmaß. Das Publikum nimmt am Ende die Sänger dennoch in seine Arme. Bieito kassiert die Buhs und Pfiffe, die er kalkuliert hat. Der Mechanismus funktioniert, auch wenn das Theater auf der Strecke bleibt.
„Schülertheater“ mault es mal zwischendurch vom Rang. Das ist noch das freundlichste Kompliment. Aber es ist die neue Linie der neuen Intendanz: Alles klein geschmirgelt fürs vermutete „Lieschen Müller“ des 21.Jahrhunderts. Es ist die einzige Lehre, die man vom großen Meister Felsenstein sich zu Herzen genommen hat. Zustrom erhofft man sich so auch von anderen Kolleginnen des Gewerbes. Die Auslastungszahlen an der Behrenstrasse sind immer noch beängstigend mies. Da möchte man doch gern vorn mit rennen im Wettlauf um Titten, Schwänze, Blut und Sperma. Die Sackgasse, in die man rennt, ist allerdings ziemlich kurz. Draußen wird schon gepeilt, wie kurz.
Ambitioniert. Der Underdog als Bohnenbüchsen-Transporter, von der Wiege bis zur Bahre. Wozzecks Leben schert sich fast ausschließlich hier um die Bohne. Fleißig löffelt er die gekochten Feldfrüchte aus der Dose. Etwas fahrig steht er gelegentlich am Bohnenbüchsen-Förderband und schichtet Konserven in die Versandkartons, die er dann durch die Gegend karrt. Es ist was mit ihm. Es ist was mit seiner Marie. Die geht Zuverdienen als Putze im Bohnenbüchsen-Betrieb, treibt’s dort nebenher mit dem sou chef hinterm Sofa. Am Ende schneidet Wozzeck ihr denn auch die Kehle durch mit einem Bohnenbüchsen-Deckel. Derweil der Sohn als letzte Hinterlassenschaft eine Bohnenbüchse in Geschenkpackung mit Umhängelöffel bekommt, und Wozzeck in einem Container von leeren Bohnenbüchsen ertrinkt.
Klingt pfiffiger als es auf der Bühne funktioniert. Der englische Regisseur Richard Jones hat das Bohnen-Menu aus der Büchse an der Berliner Komischen Oper angerichtet. Sein amerikanischer Bühnenbildner Paul Steinberg hat ihm dazu ein Ambiente gebaut, das mittels einer halbhohen Verblendung die Figuren, wenn sie auftreten, kopflos erscheinen lässt. Das Finish der Einrichtung ist garantiert Plastik, Holz-Imitat wie in amerikanischen Fastfood-Buden. Die Bühnentiefe ist verkürzt. Eng geht es auf dieser Bühne zu wie in einer Büchse. So etwas wie Spiel entfalten kann sich da nicht. Vermutlich war das vom Regisseur auch gar nicht beabsichtigt. Sehr kopfig wirkt das alles, zumal Jones jede der 15 Szenen trennen lässt mit einem Weißvorhang. Um den Fluss der Musik der vom Komponisten Alban Berg ja als Symphonie gedachten Wozzeck-Oper kümmert er sich nicht.
Freilich spielt das Orchester der Komischen Oper unter Manfred Honeck auch nicht gerade konzentriert. Oder nur uninspiriert? Die Sänger-Darsteller bleiben blass außer der Marie von Gun-Brit Barkmin. Der Hauptdarsteller Garry Magee (der schon bedauernswerte Hannoveraner Giovanni) hatte zu kämpfen mit den Folgen eines Bühnenunfalls bei der Generalprobe. Trash-Versionen sollen das achselzuckende „Wir arme Leut'“-Expressivo Georg Büchners retten. Dabei ist „Armut“ heute doch weit unspektakulärer.
Ausgerechnet Bananen werden hier ständig hin und her gereicht, gekarrt, geschält, gemampft – als ob man an diesem Hause mit diesem Lebensmittel sich nicht schon Ärger genug eingehandelt hätte beim Publikum. Das war vor anderthalb Jahren, als der Chefregisseur und mittlerweile kommissarische Intendant der Komischen Oper, Andreas Homoki, mit seiner Einstands-Inszenierung von Smetanas Verkaufter Braut die Gier nach dieser exotischen Frucht zitierte, um sich lustig zu machen über die unkritischen Nachwende-Ossis. Die rächten sich, indem sie das Haus an der Behrenstrasse mehr und mehr mieden.
Für den amerikanischen Regisseur David Alden stehen die krummen gelben Dinger wohl für die „exotische Insel“, auf der Georg Friedrich Händels Oper Alcina spielt. Die wirre Geschichte um die Zauberin Alcina, die Männer auf ihre ferne Insel lockt wie Pollen die Bienen auf die Blüten und die die Männer verwandelt in Tiere, um sie zu be-sitzen – was auch reichlich hier demonstriert wird -, diese Geschichte verwirrt Alden noch mehr. Er verflacht sie zu einem Stück vergilbter Tapete, die nach und nach von der Wand bröselt. Bei ihm spielt das Stück in einer verwunschenen Kinowelt. Im Programmheft verrät Alden zwar, was er sich als Plot dachte dahinter: Ein Mann flieht in eine Traumwelt. Die Traumfrau, der er dort begegnet und die eine Hexe sein könnte, nimmt in seiner Imagination immer reellere Züge an, worüber er seine eigentliche Geliebte immer mehr aus den Augen und seinen Gefühlen verliert.
Es hätte vielleicht ein interessanter Abend werden können, wäre er nicht nur Papier geblieben. Aber mehr als eine fade Erinnerung an Woody Allens Film The Purple Rose of Cairo ist es nicht. Alden macht – eitel, wie er ist – was er immer macht: Er häuft ein paar beziehungslose Gags aufeinander in der trügerischen Meinung, die Geschichte erzähle sich schon von selbst. Tut sie aber nicht. Mehr als den halben Abend rätselt man, wer warum jetzt was tut. Warum etwa ein alter Mann mit irgendwelchen Apparaten aus dem Vorkriegs-Physikunterricht da ständig werkelt; warum ein anderer als Orang Utan verkleidet durch die Botanik hüpft; weswegen eine erst als alte Hexe scheinende Frau einen Kinderwagen mit einem Affenbaby über die Bühne schiebt; warum man plötzlich in einen Zoo versteinerter Tiere sich versetzt fühlen soll; weswegen eine Frau sich ständig die Kleider bis knapp vor der Unterwäsche vom Leib reißt – oder ist sie gar keine Frau?
Vier Stunden (inklusive zwei Pausen) dehnt sich das zäh dahin. Alden gibt sich überzeugt, kein Sechzehntel-Fähnchen einer Note von Händels Partituren dürfe weggelassen werden. Dabei hat der Meister selbst rigoros gestrichen und überklebt, wenn es die Umstände erforderten. Man wäre ja vielleicht dankbar für solche „Werktreue“, würde es auf der Bühne vor Spannung nur so knistern und blitzen. Aber Alden produziert vor allem Gähnen, und so viele Bananen gibt’s nicht mal noch in der Requisite der Komischen Oper, um alle Münder damit zu stopfen. Immerhin musiziert wird recht ordentlich. Die Ouvertüre, so nervig akzentuiert sie Paul McCreesh sie angeht, lässt sogar Außerordentliches erwarten. Aber der Abend flacht auch musikalisch mehr und mehr ab. Dirigenten wissen: das Auge dessen, der am Pult steht und immer die Bühne im Blick haben muss, dirigiert mit. Und Klamauk ist eine schlechte Inspirationsquelle für diese fein ziselierte, aber oft eben auch für unser heutiges Zeitgefühl oft allzu langatmige Händelsche Musik.
Dabei steht mit Annette Markert als der der fernen Geliebten hinterher träumende Held Ruggiero eine Sängerin von überragendem Gestaltungsvermögen zur Verfügung, musikalisch wie darstellerisch. Weniger optimal besetzt ist die Titelrolle mit der kurzfristig eingesprungenen Geraldine McGreevy als Alcina. Die zauberische Hexe kann sie kaum vermitteln. Zu vibratogesättigt klingt ihre Stimme. Die Bravi für die Musiker, die Buhs fürs Regieteam hielten sich bei einem insgesamt eher matten Applaus im Rahmen des Erwarteten. Mit Händels Tamerlano hatte Alden vor zwei Jahren schon ein ähnlich gespaltenes Echo evoziert. Der Führung des Hauses galt diese Produktion dennoch als Erfolg. Mittlerweile fragt man sich aber immer besorgter, wie viele derartige „Erfolge“ die mit ihren schwächelnden Besucherfrequenzen kämpfende Komische Oper noch anhäufen will? Teure Namen garantieren keine Erfolge, nur Qualität. Und die zu suchen an dem Hause, das den Namen immerhin Walter Felsensteins im Wappen trägt, braucht man eine immer dioptrieen-stärkere Lupe.
Die eine mag gar nicht. „Freiheit soll die Losung sein“ singt sie mit furienhafter Emphase. Die andere ziert sich weniger heftig. Dann gewinnt sie dem Gedanken doch etwas ab: Lieben, Heiraten, mit einem Mann leben – derweilen die beiden Männer fast zu Tode sich quälen. Am Ende ist alles im Lot. Die Widerspenstigen sind gezähmt. In seiner Frankfurter Zeit zwischen 1712 und ’17 schrieb der Komponist Georg Philipp Telemann diese Musik. Schäferspiele nannte man solche Einübungen in die Liebe: Liebe exterritorial, an einem exotischen Ort des Probierens in einem mythischen Arkadien.
So Peter Huth. Er hat diese „Pastorelle en musique“ herausgefischt aus dem Konvolut von Manuskripten der Berliner Singakademie, die 1945 von der Roten Armee beschlagnahmt und, 1999 in einem Archiv der Ukraine von dem Bach-Forscher Christoph Wolff wieder entdeckt, jetzt in der Berliner Staatsbibliothek lagern.
Voller musikalischer Perlen steckt dies fast zweistündige Operchen. Ein Gelegenheitswerk gewiss der Sonderklasse. Die Berliner Komische Oper hat die szenische Erstaufführung nach fast drei Jahrhunderten einem jungen Team anvertraut. Man spielt in einem der so genannten „Meistersäle“ nahe dem Potsdamer Platz. Als Groteske mit viel Ausstattungsmüll haben der Regisseur Vegard Vinge und seine Ausstatterin Nicole Riegel das auf die Minibühne gestemmt. Grimassierend muss sich die als heftigste Heiratsgegnerin gebranntmarkte Caliste von Evelien Asberg durch das Stück quälen. Immerhin musikalisch ist das mit dem Belgischen Barockspezialisten Florian Heyerick am Pult auf sehr hohem geglückt. Szenisch bleibt das Werk weiterhin zu entdecken, vielleicht auch mit einer etwas zupackenderen Bearbeitung der oft allzu länglichen Wiederholungen.
Lauter hysterische Frauen sehen wir auf der Bühne: Eine, die ein Kind trägt, und es verschweigt. Eine andere, die es tötet und sich als Wohltäterin ausgibt. Wieder andere, die die Unglückliche, deren Baby getötet wurde ohne dass sie davon wusste und nun heiratet, bekichern und begaffen. Leoš Janáčeks dritte Oper Jenůfa brachte dem mährischen Komponisten nach einer Aufführung in Prag in einer glättenden Bearbeitung durch den dortigen Kapellmeister 1916 den späten Durchbruch. Fast ein Jahrhundert schleppte sie die verfälschende Aufführungstradition mit sich herum. Erst in neuerer Zeit entdeckte man die ursprüngliche Werkgestalt der 1908 unter dem Titel Ihre Stieftochter in Brünn/Brno uraufgeführten Oper. Musikalisch bezieht man sich bei der Neuproduktion der Berliner Komischen Oper auf diese Fassung. Und Kirill Petrenko im Graben lässt die Farben dieser Partitur in all ihrer grellen Schroffheit leuchten, die Gegensätze einander konfrontieren. Es ist musikalisch eine höchst lebendige Aufführung, die freilich die Sänger mit ihrer Voluminosität fast verschluckt.
Eher im Klischeehaften bleibt die Inszenierung. Willy Decker hat sie erarbeitet in der Ausstattung von Wolfgang Gussmann. Eine von Gram und Ängstlichkeit gebeutelte Jenufa sieht man da allweil, bis das Blatt sich wendet, und die Küsterin, ihre Peinigerin, sich als die wahre Missetäterin offenbart. Sie hat Jenufas Baby im Fluss ertränkt, um die vermeintliche Moral zu retten. Die dörflichen Steinewerfer richten sich nun gegen die ältere Frau. Dazu tönt es aus dem Programmheft von der großen moralischen Kraft des Komponisten, die er mit dem Aufgreifen dieses Sujets bewiesen habe. Dass er eher die eigenen misslichen häuslichen Verhältnisse abarbeiten wollte mit einer aus Karrieregründen geheirateten Frau, die er durch jüngere Frauen in wechselnden Liebschaften ersetzte – wie neuere Forschungen offenbarten –, davon wissen die Macher nichts. Im Umfeld der Prager Premiere (1916), die der Janáček feindliche gesonnene Kapellmeister Kovařovic nach der beginnenden Neuformierung des tschechischen Staats nicht mehr verhindern konnte, an der er aber kräftig partizipieren wollte durch Einstreichen der Umarbeitungs-Tantiemen, beging Janáceks Frau den ersten Selbstmordversuch.
Wolfgang Gussmanns Bühne zeigt anfangs eine schon herbstlich getönte Sommerlandschaft vor schwarzem Bühnenhintergrund, in der Jenůfa verzweifelt irgendwelches Grünzeug einzutopfen versucht. Sie wartet auf den trinkfreudigen Stewa, von dem sie das Kind bekommen soll und das sie nicht legalisieren könnte, sollte er zum Militärdienst eingezogen werden. Mit chorischem Holldriooh kehrt Stewa betrunken zurück. Und doch muss sie ihr Kind allein kriegen in einer von Eisblöcken durchsetzten Zimmerlandschaft. Am Ende, wenn alles geklärt und die Küsterin gedemütigt ist, kehrt sie dem Dorf den Rücken und geht mit dem anderen Bewerber um ihre Liebe, Laca, ab ins Freie.
Beachtliches leisten wiederum Chor und Orchester der Komischen Oper, auch wenn die dörfliche Fröhlichkeit doch sehr arrangiert wirkt. Als Küsterin versucht Karan Armstrong, die Witwe des lange an der Komischen Oper als Oberspielleiter wirkenden Götz Friedrich, ein zumindest darstellerisch geglücktes Comeback. Am überzeugendsten Sinéad Mulhern in der Titelpartie. Das Publikum feierte am Ende des durch zwei Pausen unnötig gedehnten Abends das Ensemble einhellig. Ein Triumph des Theaters, wie ihn die Komische Oper dringend bräuchte, war es nicht.
Operette pur. Etwas künstlich, slapstickhaft klamaukig. Die Dessous lassen die Männer diesmal nur durch die Finger gleiten. Weiter auf Tiefgang, wie Peter Konwitschny vor Jahren in Dresden, als er die Geschichte in ihrer Entstehungszeit 1914/15 situierte, geht Andreas Homoki hier nicht. Der Plot vom Fürsten Edwin, der eines der Mädis vom verruchten Variété heiraten will und dabei in Konflikt gerät mit dem Standesdünkel seiner Familie, ist hier vor allem die komische Geschichte von Edwin und seiner als morganatische Braut versetzten „Csárdás“-Fürstin.
Bis zum Schwindligwerden dreht sich die Drehbühne von Hartmut Meyer mit der kegeligen Schautreppe in einem Treibhauszylinder. Noëmi Nadelmann als Sylva Varescu, erst Teufelsweib in Lackleder dann mondäne Audrey Hepburn, ist der Gesangsstar des Abends unter aber durchaus Gleichen. Michail Jurowski peitscht und streichelt aus dem Orchester der Komischen Oper, changierend zwischen Zigeuner- und Militärkapelle, einen Reichtum an Nebenstimmen, wie man ihn an der Partitur Emmerich Kálmáns kaum je kannte.
Unterhaltung pur. Bis zur Bewusstlosigkeit. Aber ob die Spritzen, die die obligatorischen Krankenschwestern am Ende den Männern verpassen, auch die Besucherstatistiken revitalisieren? Die Komische Oper sucht neue Wege. Auch als Single-Kontaktbörse à la „Doktor Fisch sucht Fahrrad“ möchte sie sich jetzt im Sinne des alten Metropol-Theaters profilieren. Vehikel dabei: diese Neuproduktion, mit der ab der zweiten Vorstellung derlei versucht werden soll. Die Komische Oper als neues Metropol-Theater? Für den nunmehr auch Intendanten Homoki scheint das ein Weg aus der Quotenmisere.
23.Juni 2003
"Blut schmeckt gut". Die Lefzen leckend von den saftigen Innereien singt das der todesgierige Nekrotzar. Auf seinem Klo sitzend erwartet er vertrauensvoll den Untergang der Welt. Die Scheiße quillt schon aus der Schüssel, wie ein brauner Lavastrom. Blut tut gut. Vor allem der Kasse. Und die der Komischen Oper kann’s brauchen. Zu viele Flops. Die Auslastungsquote ist gesunken, die Stimmung mies. Dass nun ausgerechnet György Ligetis postmodern angehauchtes Weltuntergangs-Gelächter vom Großen Makabren die Wende bringen soll? Geplant war das nicht.
Der
Wundertäter auf der Bühne: der Australier mit Spielbein Wien Barrie Kosky. Im Kino hat er gut
aufgepasst. Von Dracula bis Independence Day – alles
feiert hier fröhliche Urständ. Die Bühne von Peter Corrigan rotiert:
Flammenwerfer wie Rednerpulte, die fahren. Bläue Häuschen, die sich
immer neu gruppieren wie im Ballett. Breughelland ist ein schwarzer
Puff-Container und sein Fürst Go-Go in seinen kurzen
Bowls-Hosen – wenn
er sie überhaupt an hat und nicht jemand in die Eier greift – der
bedürftigste Klient. Das rosarote Bett des Chefs dieses Operettenstaats
ist ein Abtritt. Aus dessen Loch lugt die Glatze des einäugigen,
armlosen Polizeichefs. Wie auf Knopfdruck gibt er (eine „sie“)
irrwitzige Koloraturen zum Besten. Konjunktionen und Kopulationen aller
Arten.
Ligetis 1978 in Stockholm uraufgeführte Oper Le Grand Macabre ist eine Weltuntergangs-Fantasie aus der „Wir sind noch einmal davon gekommen“-Perspektive. Die Vorlage, Michel de Ghelderodes Schauspiel von 1934, war da mit Blick auf den Wellenreiter der braunen Flut, Fürst Adolf, noch weniger gelassen. Viele formale und musikalische Anspielungen hat Ligeti in sein „Singspiel“ gepackt, von Bach bis Beethoven, von Rossini bis Offenbach. Das leitmotivige Vorspiel als Konzert für Autohupen war gedacht als Verbeugung vor Varèse und die Aufbruchstimmung der zwanziger Jahre und zugleich Monteverdi, die abschließende Passacaglia als eine an Alban Berg.
Vor einigen Jahren erarbeitete Ligeti eine aus den
Erfahrungen der Praxis gespeiste Neufassung. Der einstige
Theater-„Naive“, wie Ligeti sich selbst bezeichnet, hatte dazu gelernt.
Die gesprochenen Dialoge hat er weitgehend gekürzt oder auskomponiert,
viele instrumentale Details retuschiert, insgesamt das Stück gestrafft
auf gut hundert pausenlose Minuten. Diese Fassung von 1996 liegt der
Berliner Aufführung zugrunde. Und das Orchester, Chor und Solisten der
Komischen Oper unter der Leitung von Matthias Foremny bewältigen die
Partitur grandios. Ein Kabinettsstück: Akie Amou als blankgeputzter Chef
der Geheimen Politischen Polizei mit ihren anspielungsreichen
Rossiniaden und auch kuppelnde Venus.
Martin Winkler ist der blutgierig werwölfige Sensenmann Nekrotzar, Brian Galliford der feixend feucht-fröhliche Helfershelfer als Totengräber Piet vom Fass. Die liebende Amanda, die sich mit ihrem Boy in eine unterirdische Kuhle versteckt und den ja doch nicht eintretenden Weltuntergang verliebt, ver-schläft, gibt mit zarter Stimme Valentina Farcas. Professionell mischt Regisseur Kosky die Mittel und Stile. Ein bisschen Musical, ein bisschen Grusel- und Katastrophenfilm. Die Technik schuftet. Teuer. Aber, fragt man sich am Ende, was hat man eigentlich erlebt? Nichts, oder nicht viel. War alles schon mal da.
Zarter besaitete Opernbesucher sollten sich vielleicht dennoch die Spucktüte einpacken. Die steckt hier nicht im Vordersessel. Das Premieren-Auditorium jedenfalls taumelte vor Glück. Ein Spektakel. Endlich ein Theater-Spektakel! Blut, Fäkalien, Sperma und ein bisschen Hintersinn. Vielleicht ja auch so ein „rettender Strohhalm“ in der dräuenden Opern-Dämmerung. Hosen runter jedenfalls heißt eine Theater-Maxime, wenn einem sonst nichts einfällt. Hier fallen die Höschen wie das Laub im Herbst.
Kein Fischer, der die See leer fischen und es denen im „borough“ mal so richtig zeigen will ist dieser Peter Grimes. Ein Überflieger am Fall-Schirm ist er hier, einer der auf die konsumsüchtigen Kleinbürger Plastik-Spielzeug und Carepakete mit Toastern und Expandern zum Warmmachen regnen lässt. Aber die rutschen lieber auf den Knien zur Beichte und hecheln über ihn, pflügen seine milden Gaben mit Nichtbeachtung unter. Sie wissen, was sie von ihm zu halten haben, in dessen Betrieb seltsame Sachen passieren. Lehrlinge sterben, verschwinden. Die einzige Freundin, Ellen, kommt nicht so recht zu Potte mit ihm. Ein Außenseiter, der mal Spitzenreiter sein möchte und doch der ewige Verlierer bleibt – so etwa haben sich das die junge Regisseurin Katja Czellnik, hervorgetreten unter anderem mit einer viel beachteten Einrichtung von Martinůs Juliette bei den letztjährigen Bregenzer Festspielen, ihre Ausstatterin Vera Bonsen und die Dramaturgin Antje Kaiser wohl gedacht.
Benjamin Brittens erste große bedeutende Oper Peter Grimes ist ein Bekenntniswerk, uraufgeführt 1945 am Sadler’s Wells Theatre in London. Nicht nur schrieb der vor Krieg und Wehrdienst nach Amerika Geflüchtete sich darin seinen Frust als in der Heimat nur Geduldeter von der Seele. Als mit seinem neuen Freund Peter Pears Zurückgekehrter suchte er Respekt und Anerkennung für sein Anderssein. Das Küstenstädtchen Aldeburgh ist Sinnbild dieser Sehnsucht nach Heimat, Geborgenheit. In der Neuinszenierung an der Berliner Komischen Oper wird es Parabel einer Horrorvision. Von ihrer ständigen Ausstatterin Vera Bonsen hat Katja Czellnik sich ein Einheitsbühnenbild steppen lassen aus lauter Fußabstreifern: Einen Flickenteppich, der nicht nur jeden Staub sondern auch viel Schall schluckt und Textverständlichkeit zum Geduldsspiel macht.
Steigeisen führen in Nischen und Höhlen, hinter denen Grimes nach seinen Fallschirmspringer-Auftritten immer mal wieder verschwindet. Dass wir uns in einer Welt befinden, die den Schmutz gern draußen vor der Tür des trauten Heims lässt und doch allzu gern im Müll badet, wird uns demonstriert ausführlich gleich zu Beginn. In einem stummen Vorspiel tritt die ganze Bürgerschaft an zum gemeinschaftlich Marthalerischen Fußabtreten. Und auch am Ende ist noch mal sozusagen Kehrwoche. Das Salz des Meerwassers wird gleichsam pulverisiert. Und mit ihm leider auch die Figuren: zu Wäsche trocknender, Einkaufstüten schleppender und sich stumpf raufender Masse. Keiner bekommt hier Kontur in dieser Bruchrechnung eins zu Unendlich. Selbst der Eine, Peter Grimes, alias Douglas Nasrawi, scheint hier mehr wie ein bloß Fliegender Holländer, den es sturmbedingt in diese seltsame Karton-Tapete verweht hat, denn ein selbstbewusster Sonderling.
Dem intellektuellen Hochmut der Regie kontrastiert aufs Schönste die grandiose Leistung von Chor und zumal Orchester unter der Leitung von Kirill Petrenko. So süffig, körperhaft, tubengesättigt hat man die meist als equilibristisch-kühl geltende Musik des "Orpheus Britannicus" selten gehört. Dass der junge Leonard Bernstein einst dem Werk in Amerika als Erstaufführungsdirigent den Weg bahnte und davon für sein eigenes kompositorisches Schaffen sehr wohl profitierte, wird einem an diesem Abend klar. Die berühmten See-Bilder in Brittens Partitur – sie werden zu Seh-Bildern, die mehr von den Figuren zeigen, als die die Sicht eher verkürzende Szene. Buhs und Bravos waren am Ende denn auch gerecht verteilt. Toll und schade für dies eigentlich wunderbare Stück.
Die Christl bringt's. Soll's bringen. Nicht nur Postpakete und Einschreib-Sendungen. Auch die Botschaft von der Frauenemanzipation. Als Kernseifen-Frauke-Ludowig in Königsblau beginnt sie, als Lackleder-Mamsell in hautengen Hosen und Pumps endet sie. Und der ihr ergebene Adam kann daran nur glauben.
So sagt's der Regisseur dieses Neuversuchs mit Carl Zellers Oldie Der Vogelhändler an Berlins Komischer Oper, Daniel Slater, zuletzt wenig überzeugend mit Rossinis Barbier. Aus der Pfalz des 18.Jahrhunderts hat er die Geschichte vom zur Jagd angesagten Fürsten in die Disko- und Ludenwelt der 1970er Jahre katapultiert. Auch die Dialoge sind neu geschrieben. Aber es müdet sich so hin. Und die Musik, mit Ausnahme der bekannten Schlager, wirkt doch abgestanden. Nichts prickelt. Dabei müht die junge amerikanische Dirigentin Karen Kamensek sich sehr um Wiener Schmelz. Es bleibt Spreeathenische Weiße ohne Schuss. Clichéhaft die Bewegungsmuster der Balletteinlagen.
Dass man an dem Hause versucht, das Ballett auszukoppeln, rächt sich bitter. Aber auch mit dem Chor weiß Regisseur Slater wenig anzufangen. Ein Kabinettstückchen der Auftritt des Felsenstein-Uralt-Mimen Werner Enders als Professor. Und glaubwürdig verkörpert Brigitte Geller die Christel. Als musikalisches Schmankerl schmeichelte sich das Lied der "Fürstin", Maria Bengtson, in die Ohren. Dem Regieteam gellten Buhs entgegen.
Eine Wand von Kisten aus grauem Karton, wie ein Gebirge. Auf den Stufen, Absätzen, über den Spalten dieses Kartongebirges und im tiefen Tal davor spielt hier die Florentinische Tragödie. Eine Dreiecksgeschichte, ein Eifersuchtsdrama kurz vor dem finalen Höhepunkt. Ein Tuchhändler, Simone, kommt zurück von einer seiner Handelsexpeditionen. Die Koffer sind schwer wie bei der Abreise. Wieder nix verkauft. Bianca, seine Frau, hat sich die Zeit derweil verkürzt mit einem jungen Mann, der zugleich der Sohn seines besten Kunden ist, Guido, ein Prinz. Der Rotweinrunde wechselt bald die Flüssigkeitssubstanz: Blut. Die beiden Männer gehen sich, wo das junge Paar es noch gar nicht so richtig getrieben hatte, mit Schwertern an die Wäsche. Das Kartongebirge, das zugleich eine Wand ins Innere der Figuren war, stürzt zusammen.
Alexander von Zemlinskys Florentinische Tragödie, 1917 uraufgeführt unter Max von Schillings in Stuttgart, ist der erste Teil des neuen Abends an der Berliner Komischen Oper. Auf engstem Raum mit minimalem gestischen Repertoire lässt Chefregisseur Andreas Homoki im Bühnenbild von Wolfgang Gussmann die Renaissance-Tragödie abrollen. Umso üppiger schwillt, wogt, rankt unter Vladimir Jurowskis Händen Zemlinskys Musik. John Wegner ist ein verbitterter Simone, Andreas Conrad der leichtlebige, etwas verstörte Liebhaber, Ann Hallenberg die eigentlich unentschiedene Frau, die bis zuletzt zögert, übers Gebirg’ zu gehen.
Gern wird dieser Zemlinsky’sche Einakter kombiniert mit dem ebenfalls nach einem Text von Oscar Wilde entstandenen Geburtstag der Infantin. Uraufgeführt ebenfalls von einem einst Berühmten, Otto Klemperer, nach dem Ersten Weltkrieg aber, 1922 in Köln. Auch hier ist das zentrale Thema, das sowohl eines des homosexuellen Außenseiters Wilde, wie eines des als Künstler wie als Mann nie strahlenden Helden Zemlinsky war, der vergeblich warb um seine Jugendliebe Alma Schindler, spätere Alma Mahler, spätere Alma Werfel, und das nie verwand – auch hier ist das große Thema: Schönheit, Suche nach der eigenen Identität.
Der Zwerg, eine hässliche Pappnase, der nie in den Spiegel sah, und als er es tut, erschrickt – der Zwerg ist hier ein Kinderspielzeug. Als Kai aus der Kiste wird er als kleiner Karton in einem großen Karton der gern tanzenden und mit ihren Freundinnen im Garten herumtollenden Infantin zum 13ten Geburtstag präsentiert. Die trippelnden Dienerinnen mit ihren gestärkten Schürzchen und Häubchen und die vatermörderischen Palastorchester-Diener haben alle Hände voll zu tun, das reichliche Geburtstags-Spielzeug aus Kreiseln, Kästchen, lanzenartigen Buntstiften immer wieder auf der Bühne hin und her zu schieben.
Zemlinskys Musik hat hier anfangs schon stärkere Ansätze hin zur Moderne, worauf die Regie sich stützt mit einem die Figuren ins Puppenhaft-Mechanische wendenden Konzept, geht dann aber doch stark ins Psychologische zurück. Wiederum brilliert das Orchester der Komischen Oper unter Vladimir Jurowskis Leitung mit einer außerordentlich klar konturierten, zugleich höchst geschmeidigen Tongebung. Nur leider ist auch hier vom Text relativ wenig zu verstehen. Nach der ausgepfiffenen Einstands-Inszenierung Homokis mit Smetanas Verkaufter Braut im September kann das Haus nun aber – zumindest was die Publikumsreaktionen am Premierenabend anlangt – einen runden Erfolg buchen. Herausragend der Zwerg von Jürgen Müller, agil bis zum Zerreißen auf engstem Raum, wobei der Kunstgriff, ihn als Mann ohne Unterleib in eine Kiste zu stecken, doch gewiss auch einiges verkürzt von der Tragik dieser Figur.
Zentimeter um Zentimeter hebt sich der Vorhang. Man sieht trappelnde Füße. Links-rechts, rechts-links und quer durcheinander. Allmählich kommt das ganze Bild in den Blick. Ein löchriger Bretterzaun teilt die Bühne. Davor die trappelnden Gummistiefel, wie sie sich bücken nach kleinen Papierchen und die dann triumphierend in die Höhe strecken. Geld.
Als Parabel auf die Wendezeit situiert Andreas Homoki, der Chefregisseur und neue Künstlerische Leiter der Komischen Oper, Smetanas Verkaufte Braut. Die Geschichte von dem rückgewanderten Jenik, der gegen einen dicken Batzen Geld scheinbar seine Ost-Liebste, Mařenka, einem zwielichtigen Heiratsvermittler überlässt, um sie in eine ungeliebte Ehe mit einem westwärts abgewanderten Großgrundbesitzerssohn zu verhökern, stattet er mit fast naturalistischen Zügen aus. Jede Menge Glitzerfummel für die Frauen (Kostüme: Mechthild Seipel), die sich dann zum Gaudium der Männer hinter dem Peepzaun umkleiden, jede Menge Dosenbier lässt der windige Handelsvertreter Kecal von seinen Parcelservice heranschaffen, um mit den unbedarften Dörflern ins Geschäft zu kommen.
Es gibt viele hübsche Szenen, zumal wenn der Alkoholspiegel steigt und sogar der das Dorf streifende Wanderzirkus samt seinem Bären davon niedergestreckt wird. Indes geht die Aufführung doch etwas zu gradlinig zu auf ihr Ziel. Sie birgt kein Geheimnis. Das Einheitsbühnenbild von Frank Philipp Schlößmann mit dem später lediglich unter der Wucht der Besoffenen umbrechenden Bretterzaun erlaubt immer nur Gänge links-rechts-links. Weitgehend unerschlossen bleibt der Raum und damit der Resonanzboden für das, was in den Figuren passiert.
Umso elektrisierender, was aus dem Graben dringt. Das Orchester der Komischen Oper wirkt an diesem Abend wie ausgewechselt. Mit einem Feuer und Schmelz zugleich klingt diese Smetanasche Musik bis in die kleinsten Nebennoten hinein durchziseliert. Kirill Petrenko hat dies vollbracht, der neue Musikalische Leiter der Komischen Oper, 30 Jahre jung aus Omsk, bescheiden (noch), ohne Attitüde. Hart hat er mit dem Orchester gearbeitet, um diese Präzision, diesen Feinschliff zu erzwingen. Wie schon in Meiningen, wo er im Vorjahr verblüffte mit einem Wagnerschen Ring, den man in seiner klanglichen Durchformung dem dortigen Orchester nie zugetraut hätte. Exzellent der Chor. Aber auch die solistischen Leistungen stehen nicht zurück. Zumal von Andreas Conrad als stotterndem Vašek. Ein bulliger Kecal ist Manfred Hemm, Torsten Kerl der verlorene Sohn Jenik und Bettina Jensen die um ihr Glück bangende Braut. Charakterstudien liefern auch die Eltern, zumal Nanco de Vries als Mařenkas leicht desorientierter Vater und Ute Trekel-Burckhardt als Jeniks kratzbürstig-verbitterte Stiefmutter.
Mit vielen Vorschusslorbeeren war das neue Team an der Komischen Oper bedacht worden. Und wie erst vor einigen Tagen bekannt wurde, soll Homoki in zwei Jahren auch die Intendanz der Komischen Oper übernehmen. Das alte Felsensteinsche Prinzip von künstlerischer und organisatorischer Leitung des Hauses in einer Hand wäre damit wieder hergestellt. Mit seiner Einstandsinszenierung macht Homoki indes etwas ratlos. Allzu minimalistisch wollte er das Werk wohl packen, blieb damit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Gewarnt sein hätte er können mit einem solchen, wenn auch die Gegenwart streifenden Konzept. Schon ein ähnlicher Versuch vor Jahren in Leipzig mit Nikolas Brieger als Regisseur ging nicht auf. Vielleicht waren auch die Erwartungen einfach zu hoch. Erfolg lässt sich nicht planen.
Homokis Staatsopern-Kollege Peter Mussbach hatte beim Auftakt seiner Intendanz mit einer Nebenproduktion von Strawinskis Mavra als Wandertheater auf einem LKW die Woche davor mehr Glück. Man hegte keine großen Erwartungen, ließ sich allenfalls überraschen. Aber schon bald kann Homoki die Scharte auswetzen mit dem für November geplanten Zemlinsky-Doppelabend. Das Publikum jedenfalls buhte ihn jetzt gnadenlos aus, bejubelte lediglich die musikalischen Leistungen.